Stromnetze: Zwangsverkauf laut Studie erlaubt
Der Bundesverband der Verbraucherzentrale präsentiert ein Gutachten, laut dem Energiekonzerne zum Verkauf ihrer Netze gezwungen werden können.
BERLIN taz Energiekonzerne können zum Verkauf ihrer Netze gezwungen werden, ohne dass dies gegen das Grundgesetz verstößt. Zu diesem Schluss kommt ein Gutachten, das die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) bei einer international führenden Anwaltskanzlei in Auftrag gegeben hat. "Damit sind die verfassungsrechtlichen Bedenken ausgeräumt", sagte vzbv-Vorstand Gerd Billen am Mittwoch. Er forderte von der Bundesregierung, nun die EU-Kommission in ihren Bestrebungen zur Entflechtung der Energiekonzerne zu unterstützen. Deutschland und Frankreich lehnen eine erzwungene Trennung des Netzes von den Energieerzeugern bislang ab.
Hintergrund des Gutachtens sind die Pläne der EU-Kommission, die Übertragungsnetze für Gas und Strom aus den Konzernen herauszulösen, um so den Wettbewerb in der Branche zu fördern. Denn nach Einschätzung der Kommission behindern die etablierten Unternehmen durch zu hohe Nutzungsgebühren neue Wettbewerber im Energiemarkt. Zur Lösung werden in Brüssel zwei Varianten diskutiert: Entweder sollen die Produzenten ihre Netze verkaufen oder treuhänderisch von einem unabhängigen Betreiber verwalten lassen. Für den 19. September wird ein konkreter Vorschlag erwartet.
Die Übertragung der Geschäfte an einen einen unabhängigen Operator hält die Verbraucherzentrale nur für die zweitbeste Lösung. Sie sei kompliziert und benötige viel Geld vom Steuerzahler für die Kontrolle und Regulierung der Geschäfte. Besser wäre es, die Netze an unabhängige Unternehmen zu verkaufen. Das Gegenargument, dass dies verfassungsrechtlich nicht möglich sei, trage nicht, sagte Gutachter Christian von Hammerstein von der Kanzlei Hogan & Hartson Raue L.L.P. Zwar sei ein solcher Schritt ein schwerer Eingriff. Er stelle aber keine Enteignung dar, sondern eine "den Grenzen der Sozialbindung des Eigentums unterliegende Inhalts- und Schrankenbestimmung". Das Ziel eines freieren Wettbewerbes diene dem Allgemeininteresse und rechtfertige eine solche Maßnahme.
Der Verband der Elektrizitätswirtschaft sieht das anders. Hauptgeschäftsführer Eberhard Meller erklärte, es gebe keine belastbaren Erkenntnisse, dass eine eigentumsrechtliche Entflechtung zu mehr Wettbewerb oder sogar sinkenden Strompreisen führe. Eine solcher Schritt sei daher "überflüssig".
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