Stresstest für Finanzinstitute: Fünf spanische Banken fallen durch
Beim groß beachteten Stresstest haben im europäischen Vergleich 84 von 91 Banken erfolgreich abgeschnitten. Von deutschen Banken fällt nur die Hypo Real Estate durch.
BERLIN taz | Die Medien waren sich einig: Von der ARD über die Financial Times Deutschland bis zur Zeit sprachen sie unisono vom "Tag der Wahrheit". Dabei ging es nur um die Ergebnisse des dritten europaweiten Banken-Stresstests, die die europäische Finanzaufsicht CEBS am Freitagabend veröffentlichte. Und die konnten schon von der Anlage des Vergleichs her keine bahnbrechend neuen Erkenntnisse vermitteln.
Von den 14 geprüften deutschen Instituten haben mit Außnahme der inzwischen verstaatlichten Hypo Real Estate alle bestanden. Insgesamt fielen nur sieben Geldinstitute durch - neben der HRE eine griechische Bank und fünf kleinere spanische Sparkassen, die sich mit Hypothekenpapieren verspekuliert hatten. Alle waren bereits als Problemfälle bekannt, und alle befinden sich bereits in Umstrukturierungsprozessen.
Ist nun für die Branche insgesamt Entwarnung angesagt? Haben die Banken wieder mehr Vertrauen verdient?
Die Frage kommt nicht von ungefähr. In der Hochphase der Krise hatten die Geldinstitute aufgehört, sich untereinander Geld zu leihen, und damit die Konjunktur weiter abgewürgt. Zu sehr misstrauten sie einander nach den horrenden Verlusten durch Ramschpapiere. Viele Banken, denen die Staaten mit Milliardenhilfen beigesprungen sind, haben diese bis heute nicht zurückgezahlt. In Griechenland, Irland, Portugal und Spanien belaufen sich die Kreditrisiken deutscher Banken laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich auf fast 360 Milliarden Euro. Griechische und spanische Banken haben kaum Zugang zum internationalen Kapitalmarkt.
Aber wie weit kann der Stresstest hier helfen? Was sagt er aus? In der Finanzbranche gehören solche Simulationen zum Risikomanagement. Sie zeigen, wie sich die Bilanzen unter vorgegebenen Bedingungen entwickeln. Entscheidend ist dabei die Kernkapitalquote, das ist das Verhältnis von Kernkapital, also Eigenkapital plus Gewinnrücklagen, zu den ausgegebenen Krediten und anderen Risikoaktiva: Je höher die Quote, desto mehr Darlehen sind durch vorhandenes Geld gedeckt, desto gesünder ist die Bank.
Welche Kernkapitalquote sich die Aufsichtsbehörden als Testergebnis wünschen, haben sie allerdings offengelassen. Stattdessen hatte die Bundesfinanzaufsicht Bafin die teilnehmenden Banken aufgefordert, zu erklären, "welche Kernkapitalquote Ihr Haus (…) mindestens noch ausweisen müsste, um die erwünschte Marktberuhigung erreichen zu können". Bei den im Test gescheiterten Instituten fiel die Quote jeweils deutlich unter sechs Prozent.
Das Dilemma solcher Stresstests ist, dass sie sich auf Wenn-dann-Szenarien beschränken, sogenannte deterministische Simulationsmodelle: Die Banken rechnen durch, was sich an ihrem Portfolio verändert, wenn einzelne Parameter wie etwa das Wirtschaftswachstum oder eine Prognose für die Wertentwicklung bestimmter Papiere geändert werden. Das Ergebnis gibt dann nur über dieses eine Szenario Aufschluss. Andere, komplexere Modellrechnungen dagegen können zeigen, welche Veränderungen genau für eine bestimmte Bank existenzgefährdend sein würden - für einen großen europäischen Vergleich sind sie aber zu kompliziert.
So ist die Aussagekraft der Stresstests beschränkt - ganz abgesehen von der Frage, ob die Kriterien zu lasch sind, weil sie beispielsweise den Ernstfall einer Staatspleite innerhalb der EU außer Acht lassen und auch einen möglichen Verfall von Derivaten und anderen riskanten Anlagen nicht erfassen. Sie können Bankenexperten und Analysten bei der Einschätzung helfen, wie gut eine Bank aufgestellt ist, und Finanzinvestoren bei der Entscheidung, mit welcher sie arbeiten wollen.
Sie helfen aber nicht dabei, die systemischen Konzentrationsrisiken in der Branche zu klären: Was passiert, wenn es Dominoeffekte gibt wie nach der Lehman-Pleite? Was ist, wenn mehrere Banken oder Sparkassen gleichzeitig crashen? Denn dazu müsste zentral erfasst werden, welche Bank welche Positionen an Devisen, Derivaten und Aktien hat. Das aber weisen die Bankenverbände und Geldinstitute weit von sich.
Rudolf Hickel, Direktor des Bremer Instituts für Arbeit und Wirtschaft, meint deshalb, der Effekt des Stresstests sei vor allem, "dass die Aufmerksamkeit von den eigentlichen Fragen abgelenkt ist": Was ist, wenn doch mal eine Bank pleitegehen muss? Schließlich ist die Finanzbranche in Deutschland noch genauso aufgebläht wie vor der Krise. Alle Probleminstitute wurden mit öffentlichen Geldern gerettet - wegen vermeintlicher oder tatsächlicher "Systemrelevanz" oder weil es kein Verfahren für einen geordneten Bankenbankrott gab. Mindestens ein Jahr haben Bundesregierung oder EU-Kommission seither Zeit gehabt, ein entsprechendes Gesetz zu verabschieden. Passiert ist das nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“