piwik no script img

Archiv-Artikel

Strengere Regeln für Telefonlauscher

Die Bundesregierung will die Rechte der BürgerInnen bei der Kommunikationsüberwachung stärken

KARLSRUHE taz ■ Es ist ein dickes Paket, das Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) gestern vorgestellt hat. Auf 191 Seiten entwirft sie eine Neuregelung der Telefonüberwachung. Die Vorratsspeicherung der Telekom-Verbindungsdaten (siehe oben) macht nur einen kleinen Teil des Vorhabens aus. Zypries wollte gestern denn auch eher die bürgerfreundlichen Maßnahmen in den Vordergrund stellen.

So soll nun erstmals gesetzlich geregelt werden, dass Telefonate mit Pfarrern, Strafverteidigern und Abgeordneten nicht abgehört werden dürfen, außer wenn diese selbst verdächtig sind. Bei Journalisten, Ärzten und normalen Rechtsanwälten muss allerdings weiterhin nur die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme besonders streng geprüft werden. Derartige Klauseln gab es bisher nur beim großen Lauschangriff, also dem Abhören von Wohnungen mittels Wanzen oder Richtmikrofonen.

Der „Kernbereich privater Lebensverhältnisse“ ist künftig auch am Telefon geschützt. Soweit erkennbar ist, dass es sich um Gespräche mit der Familie oder engsten Freunden handelt, darf die Polizei erst gar nicht mitschneiden. Was dennoch aufgenommen wurde, muss gelöscht werden. Justizministerin Zypries setzt damit ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum niedersächsischen Abhörrecht um.

Über die Abhörmaßnahmen sollen künftig nicht mehr die örtlich zuständigen Amtsgerichte entscheiden, sondern nur größere Gerichte am Sitz der Staatsanwaltschaft. Die Schaffung spezialisierter Gerichte soll die Grundrechte der Bürger stärken. Bisher lehnen Richter Abhöranträge der Polizei nur äußerst selten ab.

Betroffene sollen künftig nach Abschluss der geheimen Ermittlungsmaßnahmen häufiger unterrichtet werden, plant Zypries. Soll die Benachrichtigung aus polizeitaktischen Gründen länger als ein Jahr unterbleiben, muss ein Gericht dies genehmigen. Ein Gutachten des Max-Planck-Instituts für Strafrecht hatte 2003 ergeben, dass die Polizei ihre Benachrichtigungspflicht nur äußerst lässig handhabt.

Unter den zahlreichen heimlichen Ermittlungsmaßnahmen ist vor allem die Telefonüberwachung zum polizeilichen Standard geworden. Die Zahl der überwachten Telefonanschlüsse hat in den letzten Jahren sprunghaft zugenommen, von 15.000 Anschlüssen 2000 auf 35.000 im Jahr 2005. Die Zunahme ist auch Folge der Handyflut. Im Schnitt wurden drei Telefone pro Verdächtigen abgehört. CHRISTIAN RATH