Streit um Präsidentschaft in Haiti: Wahltermin ist nicht zu halten
Haitis Wahlrat will die Stichwahl verschieben. Die Ergebnisse des ersten Wahlgangs liegen noch nicht vor. Die Opposition vermutet bewusste Verzögerung.
SANTO DOMINGO taz | Die haitianische Regierung plant anscheinend, die Stichwahl für das Präsidentenamt zu verschieben. Ein Sprecher des provisorischen Wahlrates (CEP) erklärte der Nachrichtenagentur Associated Press, dass sich der Urnengang bis mindestens Ende Februar verzögern werde. Der anberaumte Termin 16. Januar, bei dem die beiden Erstplatzierten Mirlande Manigat und Jude Célestin antreten sollten, sei nicht realistisch.
"Die zweite Runde ist nicht vor Ende Februar möglich", zitiert AP den Sprecher des CEP, Pierre Thibault Junior. Der Wahlrat müsse die gesetzlichen Fristen einhalten. Nach der offiziellen Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses haben die Kandidaten noch eine Einspruchsfrist. Außerdem müsse die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), die die Wahlen offiziell überwacht, noch ihren Abschlussbericht übergeben, meinte der CEP-Sprecher.
Auch der Generaldirektor der haitianischen Wahlkommission, Pierre Louis Opont, geht davon aus, dass die Stichwahl verschoben werden muss. Schon aus organisatorischen Gründen könne der Termin nicht eingehalten werden, sagte er in einem Interview mit der britischen Nachrichtenagentur Reuters.
Nach wie vor liegt kein amtliches Endergebnis vor. Die Stimmen werden derzeit unter Aufsicht der OAS erneut ausgezählt, nachdem zwölf der 19 Kandidaten eine Überprüfung des vorläufigen Ergebnisses gefordert hatten. Eine offizielle Bestätigung der Wahlverschiebung gibt es jedoch nicht. Bei der Wahl am 28. November hatte die rechtskonservative ehemalige Präsidentengattin Mirlande Manigat vor dem Kandidaten der "Einheits"-Partei, Jude Célestin, mit 31 Prozent das Rennen gemacht. Drittplatziert wurde der Musiker Michel Martelly mit nicht ganz 22 Prozent und nur einem Prozentpunkt Unterschied zu Celestin.
Die Opposition hatte Préval beschuldigt, die Wahlen manipuliert zu haben, und deren Annullierung gefordert. Während der Abstimmung, an der sich knapp eine Million der rund 4,7 Millionen Wahlberechtigten beteiligten, war es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen und zu Unregelmäßigkeiten sowohl bei der Stimmabgabe als auch bei der Auszählung gekommen.
Eine Verschiebung der Wahlen wird die innenpolitische Krise in Haiti noch weiter verschärfen. Schon nach den Wahlen war es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen gekommen. Und der Drittplatzierte, Michel Martelly, droht ganz offen mit Unruhen seiner Anhänger, wenn er nicht zur Stichwahl zugelassen werde.
Die Oppositionsparteien sehen in den Verzögerungen bewusste Manipulation seitens des derzeitigen Amtsinhabers René Préval. Der hatte schon immer für spätere Wahlen plädiert, um erst im Mai sein Mandat aufzugeben. Der seit dem schweren Erdbeben öffentlich weitgehend abgetauchte Staatschefs versucht mit allen Mitteln, seinen Posten zu retten, wie Wikileaks enthüllt, wohl auch deshalb, weil er Angst hat, nach der Aufgabe seines Amts inhaftiert und wegen Korruption angeklagt zu werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!