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Streit um Kohls Gewerbesteuerpläne

■ Laut Späth einzige unabhängige Finanzierung der Gemeinden in Gefahr / Stellvertretender Regierungssprecher Schmülling: War nicht so gemeint / Hessischer CDUler fordert: erst Alternativen!

Berlin (taz) - Kohls China–Reise schickte sich an, immer wichtiger zu werden. Erst steckte Bejings Parteichef dem Gast exklusiv seinen politischen Nachlaß. Im Gegenzug - von Tibet aus - ließ Kohl verlauten, er wolle die Gewerbesteuer in seiner Heimat abschaffen. Die große Distanz indes konnte den darauffolgenden gehörigen Wirbel im eigenen Lager Kohls nicht verhindern, der inzwischen wieder mal zu mittleren Rückziehern Anlaß gab. Jüngstes Beispiel: Lothar Späth sagte gestern in einem Rundfunkinterview, wer die Gewerbesteuer abschaffe, lege Hand an die einzige unabhängige Finanzierungsquelle der Städte und Gemeinden (die Gewerbesteuer brachte 1986 gut 32 Milliarden DM in die Kommunalkassen). Laut Späth ist es keine Alternative, „daß die Gewerbesteuer abgeschafft und den Gemeinden als Finanzierungsersatz eine von Bund und Land abhängige Steuerbeteiligung angeboten wird, die ein Stück ihrer Souveränität als Kommune mit eigener Finanzkraft aufhebt“. Der stellvertretende Regierungssprecher Schmülling (FDP) dämpft derweil nach Kräften ab: Kohl habe in China keine verbindlichen Zusagen gemacht, die Überlegungen in diese Richtung seien im übrigen „uralt“. Schmül lings Chef Ost meldete sich aus Kathmandu/Nepal zu Wort: Ohne Einkommensersatz für die Gemeinden kein Verzicht auf die Gewerbesteuer. Aktuell ins Gespräch gebracht wurde die Idee kürzlich von Schmüllings Parteikollegen Lambsdorff, der die Ab schaffung der Gewerbesteuer zur Bedingung dafür machte, daß der Vorschlag von Franz–Josef Strauß zur Erhöhung der Mehrwertsteuer realisiert werden könnte. Der Direktor des hessischen Städtetages und CDU–Landtagsabgeordnete Demke übte gestern gar Kritik an der tibetanischen Offensive Kohls: Die Diskussion um die Abschaffung der Gewerbesteuer werde „zur Unzeit“ geführt. Sinnvolle Überlegungen seien erst möglich, wenn alternative Vorschläge auf dem Tisch liegen.

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