Streit um Kfz-Steuer: Regierung gefährdet ihre Klimaziele
In der nächsten Woche will die Regierung ihr zweites Klimaschutzpaket verabschieden. Nach den gescheiterten Agrosprit-Plänen will die CDU jetzt auch noch Autofahrer schonen.
![](https://taz.de/picture/389922/14/auto_b.jpg)
BERLIN taz Nach den gescheiterten Agrosprit-Plänen drohen nun zwei weitere Pfeiler der bundesdeutschen Klimapolitik wegzubrechen: Zum einen ist zwischen der CDU und SPD ein wüster Streit um die Neuausrichtung der Kfz-Steuer ausgebrochen. Zum anderen bescheinigt ein Gutachten den Regierungsplänen zum Energiesparen bei weitem nicht die Wirkung, die sie beitragen sollen.
Der Reihe nach: Um das angestrebte Klimaziel - 40 Prozent weniger Kohlendioxid im Jahr 2020 gegenüber 1990 - zu erreichen, hatte das Kabinett politische Ecksäulen formuliert, das so genannte Meseberg-Paket. Im Herbst war der erste Teil vom Kabinett verabschiedet worden, am kommenden Dienstag steht der zweite Teil auf der Tagesordnung. Ein Bestandteil von Paket II: die neue Kfz-Steuer.
Bislang werden Pkw-Steuern nach Hubraum ermittelt, ab 2009 sollen sie nach Kohlendioxidausstoß erhoben werden, damit es eine Lenkungswirkung für mehr Klimaschutz gibt. "Ein Skandal", erklärte der haushaltspolitische Sprecher der FDP Jürgen Koppelin. Union und SPD hätten schon Berufspendler mit der abgeschafften Entfernungspauschale belastet. Koppelin: "Jetzt sollen die Autofahrer wieder zur Kasse gebeten werden."
Die FDP steht mit den Skandalrufen nicht allein da: "Dies ist mit der Union nicht zu machen", wettert etwa der finanzpolitische Sprecher der Union, Otto Bernhardt. "Das sollte der Kollege mal seinen christlichen Ministerpräsidenten sagen", kontert SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber. Die nämlich haben darauf gedrungen, die Steuer so auszuformulieren, wie sie jetzt ist.
Um das Klimaziel zu schaffen, plant die Regierung 11 Prozent Strom bis 2020 einzusparen - und so die Klimaschuld um 40 Millionen Tonnen Kohlendioxid zu senken. Gutachter haben jetzt nachgerechnet: Mit den Meseberg-Instrumenten seien allenfalls 20 Millionen Tonnen zu erreichen. Das entspräche bestenfalls 5,8 Prozent Stromeinsparung statt der geplanten 11 Prozent, errechnete das Ecofys-Institut im Auftrag der Grünen. Vor allem das überfällige Verbot von ineffizienten Nachtspeicherheizungen und die Vertagung eines verbindlichen Energiemanagments für die Wirtschaft lassen die Regierungspläne zu Luftschlössern werden. "Das Klimaprogramm der Bundesregierung gleicht einem Scherbenhaufen. Viel wurde angekündigt, wenig geliefert", so Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn.
Hinter den Kulissen knirscht es zudem bei der "Kennzeichnungspflicht für Pkws": Um Anreize für den Kauf verbrauchsgünstiger, CO2-armer Autos zu verstärken, will die Regierung eine verbraucherfreundliche und übersichtliche Kennzeichnung einführen. Doch über den Entwurf aus dem Hause von Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) herrscht unter seinen Kabinettskollegen keine Einigkeit. Die offizielle Sprachregelung lautet nun, man erwarte zunächst die Vorschläge aus Brüssel. Damit ist die Verordnung, die spätestens im August erlassen werden sollte, gestorben: Ein EU-Regelwerk liegt nämlich bislang noch nicht vor.
Viel Streit also noch, bevor das Kabinett nächste Woche zusammen kommt. Am Dienstag sollen auch eine Heizkostenverordnung, eine Anhebung der Lkw-Maut und die Liberalisierung des Energiemesswesens - Stichwort: "intelligente Stromzähler" - beschlossen werden. Klar ist, das noch vor der Sommerpause das Gesetzgebungsverfahren beginnen muss - soll tatsächlich wie geplant 2009 endlich mit dem Klimaschutz in Deutschland begonnen werden. Nach den Chancen befragt, erklärte Regierungssprecher Tomas Steg: "Uns bleibt noch eine Woche Zeit. Wir bemühen uns."
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Erpressungs-Diplomatie
Wenn der Golf von Mexiko von der Landkarte verschwindet
Tod von Gerhart Baum
Einsamer Rufer in der FDP-Wüste
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören