Streit um Finanzmarktsteuer: Schäuble macht's auch ohne Briten
Der Finanzminister hält das Scheitern einer Finanzmarktsteuer für eine Katastrophe – nachdem man sich in der EU wieder nicht einigen konnte. Alternativen sehen jedoch vage aus.
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BRÜSSEL taz | Wolfgang Schäuble muss sich etwas Neues ausdenken. Großbritannien blockiert die Finanzmarktsteuer, die er beim Treffen der EU-Finanzminister gemeinsam mit acht Amtskollegen forciert hatte. Die Briten fürchten um die Geschäfte in London, auch Schweden ist dagegen, Luxemburg und Irland haben Bedenken.
Da bei Steuerfragen alle 27 EU-Staaten zustimmen müssen, ist die Abgabe bis auf Weiteres gestorben. Was nun? Schäuble gab sich gestern in Brüssel kämpferisch: „Wenn auf europäischer Ebene keine Lösung zu finden ist, dann müssen wir uns nach Alternativen umsehen“, sagte der CDU-Politiker. „Denn dass nichts dabei herauskommt, das wäre eine Katastrophe“, ergänzte er.
Doch wie sollen Alternativen aussehen? „Da gibt es ganz viele Instrumente“, sagte die dänische Wirtschaftsministerin Margrethe Vestager – und nannte doch nur die sogenannte Stempelsteuer, die es in Großbritannien bereits gibt und nur Aktiengeschäfte umfasst. Auch die FDP hatte sich dafür ausgesprochen.
Schäuble könnte aber auch einen Umweg gehen und die Finanzsteuer zunächst nur in der Eurogruppe einführen. Dann wäre Großbritannien außen vor, allerdings auch die City of London. Dies wiederum macht dem kleinen Finanzplatz Luxemburg große Sorgen. Es sei nicht sinnvoll, das größte Finanzzentrum Europas von der neuen Steuer auszunehmen, sagte Finanzminister Luc Frieden.
Koalition der Willigen
Ganz anders sieht dies das Aktionsbündnis „Steuer gegen Armut“, zu dem auch Attac gehört. „Das Nein aus London darf kein Vorwand sein, die dringend notwendige und überfällige Einführung der Finanztransaktionssteuer in Europa weiter zu verzögern und zu blockieren“, sagte Detlev von Larcher, der Attac im Kampagnenbündnis vertritt. „Wenn es nicht von Anfang an zusammengeht, muss eine Koalition der Willigen vorangehen.“
Alle Hoffnungen richten sich nun auf die EU-Kommission und den dänischen EU-Vorsitz. Sie sollen bis Juni Kompromisse ausarbeiten. Ohne eine Einigung wäre möglicherweise auch der Fiskalpakt für den Euro in Gefahr – SPD und Grüne haben ihre Zustimmung von der Einführung einer Finanzsteuer abhängig gemacht. Die Bundesregierung braucht für den Fiskalpakt eine Zweidrittelmehrheit und ist auf die Opposition angewiesen.
Ärger kommt für Schäuble auch aus Spanien. Madrid kann wegen der Wirtschaftskrise das Defizit nicht auf die mit der EU vereinbarten 4,4 Prozent drücken. Schäuble einigte sich deshalb mit seinem spanischen Amtskollegen Luis de Guindos darauf, die Zielmarke auf 5,3 Prozent anzuheben. 2013 soll Spanien das Defizit dann wie vereinbart unter 3 Prozent drücken. Wie, das blieb offen. Sollte Spanien auch dann das EU-Ziel verfehlen, wäre dies ein schlechter Start für den Fiskalpakt – der soll ab 2013 für mehr Budgetdisziplin sorgen.
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