Streit um Ausstellung: Neuer Streit an alten Fronten
Eine umstrittene Ausstellung über „Flucht und Vertreibung der Palästinenser“ kommt in die Stadtbibliothek. Israel-solidarische Gruppen protestieren.
Wo die Wanderausstellung „Die Nakba – Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948“ in den vergangenen Jahren zu Gast war, gab es oft Ärger. Auch in Bremen, wo sie ab dem 18. Februar in der Zentralbibliothek zu sehen sein wird, formiert sich bereits Widerstand. Die OrganisatorInnen sprechen gar von Verhinderungsversuchen hinter den Kulissen. Und der Protest sei, sagt Detlef Griesche von der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft (DPG), „von Israel geleitet und gelenkt“ – da müsse man kein Verschwörungstheoretiker sein.
Auf den ersten Blick wirken die vom Verein „Flüchtlingskinder im Libanon“ konzipierten Tafeln unspektakulär: mit viel Text, ein paar historischen Fotografien und Landkarten wird die Flucht der palästinensischen Bevölkerung in Folge des UN-Teilungsplans von 1947 dokumentiert. Wegen kriegerischer Auseinandersetzungen und systematischen Landkaufs waren zahlreiche PalästinenserInnen gezwungen, ihre Heimat zu verlassen und in die Nachbarländer zu fliehen. Dort leben sie und ihre Nachkommen bis heute in sogenannten Flüchtlingslagern – unter desaströsen Bedingungen, die kaum jemand bestreitet.
Umstritten ist die Ausstellung dann aber wegen dem, was sie nicht zeigt: dass nach der Staatsgründung auch JüdInnen aus den umliegenden arabischen Staaten vertrieben wurden, dass auch palästinensische Milizen Massaker verübten, oder dass die Flüchtlinge in den arabischen Nachbarländern bis heute als politische Waffe gegen Israel vorgehalten werden. In Bremen wird das – anders als in anderen Städten – zu lesen sein, weil die Deutsch-Israelische-Gesellschaft (DIG) die Ausstellung mit Infomaterial und eigenen Prostest-Tafeln flankiert.
Einseitige Schuldzuweisung?
DIG-Vorsitzender Hermann Kuhn sagte zur taz: „Wir halten die Aussage der Ausstellung für falsch.“ Nicht nur im Sinne der historischen Wahrheit, sondern auch, weil eine einseitige Schuldzuweisung „der Idee eines friedlichen Nebeneinanders nicht zuträglich“ sei, so Kuhn.
Griesche ist nicht begeistert von der Kommentierung und hätte eine eigene Ausstellung der KritikerInnen lieber gesehen. Die Einseitigkeit bestreitet er allerdings nicht: Es solle ausdrücklich die Perspektive der PalästinenserInnen zu Wort kommen, die sonst unterdrückt werde. Die entscheidende Frage sei aber, ob das zur „historischen Verfälschung“ führe – und das sei hier nicht der Fall. Griesche zweifelt gar am demokratischen Bewusstsein seiner Gegner. Dass umgekehrt etwa jemand eine Veranstaltung der DIG stören würde – das gebe es nicht.
Podiumsdiskussion geplant
Für die Stadtbibliothek, in deren Räumen die Ausstellung gastiert, sagte Tobias Peters, man wolle „beiden Seiten Raum zum Dialog geben“. Darum habe man neben der Ausstellung auch die Gegendarstellungen der DIG untergebracht. Am 4. März soll zudem eine Podiumsdiskussion über unterschiedliche Sichtweisen auf die Gründung Israels 1948 stattfinden, auf der Vertreter beider Seiten zu Wort kommen. Kuhn sagte zur taz: „Wir gehen dem Konflikt nicht aus dem Weg.“ Das ist nicht selbstverständlich, denn sowohl Kuhn als auch Griesche können diverse GesprächspartnerInnen aufzählen, mit denen sie sich nicht mehr an einen Tisch setzen.
Die DPG richtet die Ausstellung nicht im Alleingang aus. Zu den Veranstaltern zählen etwa auch das Nahost-Forum Bremen, der AK Nahost oder das Friedensforum – ein Bündnis also, das regelmäßig israelkritische Veranstaltungen durchführt und aus dessen Umfeld 2011 die Boykott-Aktion gegen Waren aus jüdischen Siedlungen vor einem Supermarkt in der Wachmannstraße initiiert wurde.
Aufruf an öffentliche Einrichtungen
Damals hat sich ein linksradikales Aktionsbündnis gegen Antisemitismus gegründet. Die daran beteiligte „Gruppe [c]3 – Gegen die Beschissenheit der Dinge“ wendet sich nun auch gegen die Nakba-Ausstellung. „Unter dem Deckmantel der Kritik am Staate Israel“ werde Antisemitismus propagiert, heißt es in einer Erklärung der Gruppe. Es gelte, den Blick zu schärfen und den „renitenten Bremer AntisemitInnen vom Nahost-Forum, dem Bremer Friedensforum und dem Arbeitskreis Nahost kein öffentliches Forum zu geben“.
Der Aufruf richtet sich weniger an die Palästina-Gruppen selbst, als an die öffentlichen Institutionen, die als Kooperationspartner Veranstaltungen im Umfeld der Ausstellung ausrichten. Die Bibliothek etwa, die Musikschule-Bremen oder das Kommunalkino City 46. Dort werden ausstellungsbegleitend Filme gezeigt, die nach Angaben des Kinos „den Fokus auf ein friedvolles Miteinander von Israelis und Palästinensern richten“.
Die Ausstellungsveranstalter geben sich auch angesichts der Kritik zuversichtlich: „Die schießen sich selbst ins Knie“, sagt Griesche. Die Ausstellung werde voll – mit oder ohne Protest.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Innereuropäische Datenverbindung
Sabotageverdacht bei Kabelbruch in der Ostsee
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört