Streit über geistliches Tibeter-Oberhaupt: Eine Ministerin für den Dalai Lama
Mit Heidi Wieczorek-Zeul ist doch noch ein Kabinettsmitglied bereit, den Dalai Lama zu treffen. China-Experte Sandschneider lobt dagegen die Zurückhaltung des Außenministers.
Heidi Wieczorek-Zeul macht es. Die Entwicklungsministerin von der SPD wird am kommenden Montag den Dalai Lama treffen.
Sie rettet das 16-köpfige Kabinett, insbesondere aber ihre Partei, vorläufig vor der Empörung darüber, dass sich weder Außenminister Frank-Walter Steinmeier noch sonst ein Regierungsmitglied bereitfand, mit dem religiösen Oberhaupt der Tibeter vor die Kameras zu treten. Kaum dass dies am Mittwoch bekannt wurde, meldete sich auch Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) zu Wort: Also, wenn er gefragt würde, würde er den Dalai Lama auch empfangen. "Wir sind immer dabei, gute Gastgeber zu sein", sagte er.
Diesen Donnerstag kommt der Dalai Lama in Frankfurt am Main an. Über Bochum, Mönchengladbach, Nürnberg und Bamberg wird er nach Berlin reisen. Im September hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel den Dalai Lama im Kanzleramt empfangen und damit eine veritable Krise der Beziehungen zu China ausgelöst. Steinmeier hatte Merkels Aktion als "Schaufensterpolitik" kritisiert und später zwecks Wiedergutmachung in Peking ein Papier unterzeichnet, in dem Deutschland stärker als zuvor die "Ein-China-Politik" unterstützt, nach der Tibet und Taiwan zu China gehören.
Dass Merkel dieses Mal in Lateinamerika unterwegs ist, hat jedoch den Druck auf den Vizekanzler, für sie einzuspringen, verstärkt. Außerdem meldeten sich mit dem alten Dalai-Lama-Fan Roland Koch und Jürgen Rüttgers sowie Bundestagspräsident Norbert Lammert mehrere ranghohe CDU-Politiker zum Händeschütteln an.
"Es ist kein gutes Zeichen, dass Steinmeier die Anfrage der Tibet Initiative abschlägig beschieden hat", sagt der CDU-Abgeordnete Holger Haibach, Vorsitzender des Tibet-Gesprächskreises im Bundestag. Er nimmt am Montag an einem Treffen mit dem Dalai Lama teil, das der Auswärtige Ausschuss organisiert hat. Er möchte der SPD und auch Steinmeier nicht absprechen, dass sie für Menschenrechte in China seien, "doch denke ich, dass man die Balance halten muss zwischen stiller Diplomatie à la Steinmeier und der Art der CDU, Standpunkte öffentlich zu machen", sagt er.
Steinmeier folge der Tradition des Wandels durch Annäherung, die von der Ostpolitik Willy Brandts herrühre. CDU-Politiker wie Koch dagegen seien dafür, "nationale Interessen klar zu benennen" - auch solche menschenrechtlicher Art. Die engen wirtschaftlichen Kontakte zwischen China und Hessen bewiesen, dass daraus kein industriepolitischer Schaden entstehe.
Darin ist Haibach sich mit der Außenpolitikerin der Grünen Kerstin Müller einig. "Steinmeier und die SPD müssen aufpassen, dass aus ihrer stillen Diplomatie keine Leisetreterei wird", sagt sie. "Gerade im Umfeld der Olympischen Spiele hilft öffentlicher Druck womöglich weiter." Dies gelte nicht nur für die Sache der Tibeter, sondern auch anderer Minderheiten in China.
Der von der rot-grünen Bundesregierung eingeleitete Rechtsstaatsdialog mit China habe nur dort Fortschritte erzielt, wo etwa Investoreninteressen betroffen seien. "Aber in den harten Menschenrechtsfragen - Todesstrafe, Meinungsfreiheit - hat er nichts gebracht", sagt Müller. Dass es kürzlich immerhin ein Treffen zwischen Abgesandten des Dalai Lama und der chinesischen Regierung gegeben habe, sei auf die weltweite Mobilisierung für Tibet zurückzuführen.
"Bei diesem Gespräch ist nichts herausgekommen", widerspricht der China-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Eberhard Sandschneider. Steinmeier sei vollkommen im Recht. "Es muss einen deutschen Politiker geben, der die Substanz der deutschen Außenpolitik nicht für populistische Effekte missbraucht." Die Politiker, die sich um den Dalai Lama drängelten, "sitzen einer Medienkampagne auf". Nichts werde dadurch für die Tibeter erreicht. Vielmehr sei zu fragen, was die tibetische Exilregierung mit dem Geld anfange, das sie auch aus Deutschland erhalte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg