: Streit über Tamilen–Abkommen
■ Kabinettskonflikt in Sri Lanka bahnt sich an / Tamilische Guerilla–Organisationen wollen nicht entwaffnet werden, weil sie der Armee nicht trauen / Indiens Premierminister Rajiv Gandhi kündigt trotz der Einwände der Tamilen Unterzeichnung des Vertrages für morgen an
Colombo (dpa) - Sri Lankas Ministerpräsident Ranasinghe Premadasa hat sich gegen ein Friedensabkommen zum jetzigen Zeitpunkt ausgesprochen, das den von den Tamilen geforderten Zusammenschluß der beiden Provinzen im Norden und Osten unter tamilischer Verwaltung vorsieht. Das wurde am Montag in Colombo nach einer Sondersitzung des Kabinetts bekannt. Der Ministerpräsident strebe vor der Unterzeichnung des Abkommens mit Indien ein Referendum an, hieß es in der srilankanischen Hauptstadt. Obwohl auch die tamilischen Guerilla–Organisationen heftige Kritik angemeldet haben, wollen der indische Premierminister Gandhi und Sri Lankas Präsident Jayewardene den Vertrag morgen unterzeichnen. Mit dem Abkommen soll das blutigste Kapitel der Inselgeschichte beendet werden. Der Chef der Guerilla–Organisation Tamil–Tigers (LTTE), Prabhakaran, sprach sich gegen eine Unterzeichnung des Abkommens aus. Wesentlicher Kritikpunkt von tamilischer Seite ist, daß die Guerilla verpflichtet werden soll, innerhalb weniger Tage die Waffen niederzulegen. Auch wenn gleichzeitig ein Waffenstillstand und Rückzug der srilankanischen Armee Bestandteil der Vorschläge sind, könnte die Übergabe der Waffen einer völligen Auslieferung gleichkommen. Immer wieder hatte in der Vergangenheit die völlig undisziplinierte srilankanische Armee die schutzlose tamilische Zivilbevölkerung angegriffen. Auf Kritik stößt auch das für den Osten Sri Lankas geplante Referendum. Das Abkommen sieht vor, daß noch vor Ende dieses Jahres Wahlen zu den fünf Provinzräten im gesamten Land stattfinden sollen. Der Norden und Osten sollen dabei in einer administrativen Einheit mit gewähltem Ministerpräsidenten, Kabinett und einem durch Colombo eingesetzten Gouverneur zusammengefaßt werden. Eine solche Zusammenlegung war die Minimalforderung der tamilischen Seite. Nach einem Jahr soll im Osten, der von Singhalesen, Tamilen und Tamil sprechenden Mohammedanern zu etwa gleichen Teilen bewohnt wird, ein Referendum über den weiteren Verbleib in diesem Provinzrat durchgeführt werden. Schon am Samstag hatte die tamilische EROS (Eelam Revolution–ary Organisation) in Madras dieses Referendum als den Versuch kritisiert, „das verzerrte demographische Bild, das durch eine vier Jahrzehnte lange staatliche Kolonisierungspolitik hervorgerufen wurde, zu legitimieren.“ Der Osten Sri Lankas war zur Zeit der Unabhängigkeit überwiegend tamilisches Gebiet und ist seitdem systematisch mit Singhalesen neu besiedelt worden. In dem 14–Punkte–Plan des Abkommens ist von einer „eigenen kulturellen und sprachlichen Identität“ der Tamilen und der Anerkennung der „Nord– und Ostprovinzen als Wohngebiete einer Tamil sprechenden Bevölkerung“ die Rede. Tamil soll neben singhalesisch und Englisch als offizielle Sprache anerkannt werden. Das Abkommen sieht weiter die „Repatriierung von 200.000 Tamilen indischer Herkunft aus Sri Lanka nach Indien, die Rückkehr von 150.000 tamilischen Flüchtlingen aus Indien und eine Amnestie für politische Häftlinge vor.
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