Streit in der Linkspartei geht weiter: "Schwere narzisstische Störungen"
Nein, die Parteichefs habe er nicht damit gemeint, so Ulrich Maurer. Doch warnt der Bundestags-Fraktionsvize der Linken Lötzsch und Ernst vor einer Fortführung der Debatte um Mauer und Castro.
BERLIN dapd | Der Streit in der Linkspartei eskaliert. Linke-Spitzenpolitiker Ulrich Maurer beklagte in einem auf stern.de veröffentlichten Interview, in der Partei gebe es Leute mit "schweren narzisstischen Störungen". Die Debatte der letzten Wochen schade der Linken. Er stellte jedoch ausdrücklich klar, dass er damit nicht die beiden Parteivorsitzenden Klaus Ernst und Gesine Lötzsch angegriffen habe.
Lötzsch und Ernst hatten in dem Geburtstagsschreiben an Castro unter anderem dessen "kampferfülltes Leben und erfolgreiches Wirken an der Spitze der kubanischen Revolution" sowie die "Errungenschaften des sozialistischen Kuba mit seiner Beispielwirkung für so viele Völker der Welt" gewürdigt. Auf die Menschenrechtslage gingen sie nicht ein. Zudem hatte Lötzsch den Bau der Berliner Mauer durch die DDR als Folge des Zweiten Weltkriegs bezeichnet.
"Absichtlich gezündelt"
Fraktionsvize Maurer betonte: "Die Form der öffentlichen Debatte, wie sie in den vergangenen Wochen von der Linkspartei geliefert worden ist, schadet unserer Partei." Er fügte hinzu: "Einige haben absichtlich gezündelt." Das sei ein klares Signal an die Wähler in Mecklenburg-Vorpommern gewesen, dass die Linkspartei "schon alles verloren gegeben habe."
Die Linke müsse sich jetzt wieder mit den wirklichen Sorgen der Menschen beschäftigen. "Bei all jenen, die derzeit diese anderen Debatten so hitzig betreiben, bei denen habe ich ernste Zweifel an ihrer politischen Zurechnungsfähigkeit," sagte Maurer. Er warnte seine Parteiführung scharf: "Wir sind in einer politischen Situation, in der wir uns Dummheiten, wie sie derzeit in der Linkspartei stattgefunden haben, in Zukunft nicht leisten können."
Maurer fügte hinzu: "Wir sind in großer Sorge, dass Leute, die unter schweren narzisstischen Störungen leiden, etwas verspielen wollen", wofür die Linke unter ihrem früheren Vorsitzenden Oskar Lafontaine "schwer gearbeitet und gekämpft" habe. Damit habe er aber ausdrücklich nicht Lötzsch und Ernst gemeint, "sondern diejenigen, die den beiden Vorsitzenden aus der Partei heraus die Debatten aufzwingen", die er als "politische Dummheit"bezeichnet habe, stellte Maurer klar.
Die stellvertretende Parteivorsitzende Katja Kipping sagte der Sächsischen Zeitung, die Linke habe nach der Wende für die Fehler der SED die Verantwortung übernommen. Daran dürfe es "kein Deuteln und keine Zweideutigkeiten" geben. "Wir sagen, dass die Mauer und das mit ihr verbundene Grenzregime ein Fehler war. Und das wir so was nicht wieder haben wollen". Zum umstrittenen Glückwunsch an Castro sagte Kipping, "zeitgemäße und schöne Sprache klingt anders".
Berliner Linke sauer
Die im Wahlkampf stehende Berliner Linke zeigte sich über den anhaltenden Gegenwind aus der Bundespartei höchst verärgert. Nach Darstellung von Fraktionschef Udo Wolf richteten die Debatte um den Glückwunschbrief der Parteispitze an Castro und die missverständlichen Äußerungen zum Mauerbau "starken Schaden" an. Sie verunsicherten zugleich die Parteibasis, weil es zu diesen Themen "klare Beschlüsse" gebe.
In Berlin wird am 18. September ein neues Parlament gewählt, in Mecklenburg-Vorpommern am 4. September. In dem am Mittwoch veröffentlichten Forsa-Wahltrend des Magazins Stern und des Fernsehsenders RTL gab die Linke einen Punkt ab. Die Partei fiel zum siebten Mal in diesem Jahr auf ihr Jahrestief von acht Prozent.
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