Die Frage lautet nicht, ob Politiker im Wahlkampf ehrlich sein können, sondern vielmehr, ob sie damit gewinnen können.
Dies ist noch nicht die wichtigste Frage, doch verweile ich bei ihr einen Moment.
"die wellt die will betrogen syn" wusste schon Sebastian Franck. Wer als Politiker ehrlich ist, schadet sich dadurch meistens selbst. Dies liegt nicht zuletzt an mangelndem Interesse der Wähler.
Wenn mir jemand erzählt, Atomkraft sei sicher (oder gar umweltfreundlich), Steuersenkungen wären kein Problem und man tue für die dritte Welt was man kann, dann weiß ich, dank meines eigenen Interesses, dass dies Unfug ist.
Wäre dies bei einer Mehrzahl der Wähler so, würden Politiker mit ihren Märchen ins Leere laufen. Die Wähler würden den Kopf schütteln über so viel Beleidigung ihrer Intelligenz und jemand anderen wählen. Tun sie aber nicht.
Das lässt für mich nur den Schluss zu, dass die Mehrzahl der Wähler glauben möchte, was man ihr erzählt. Oft höre ich "woher willst du das besser wissen als ein Politiker?", wenn ich all zu dreiste Münchhausengeschichten als solche benenne.
Hinter diesem Ausspruch steckt ein fundamentales Problem. Politiker sind als Volksvertreter dazu da, den Willen des Volkes (zumindest des mündigen Teils) zu vertreten. "Wille" ist dabei zumeist ein Synonym für "es allen recht machen".
Die meisten Wähler scheinen den zu wählen, der ihnen subjektiv die meisten Vorteile zu bringen scheint. Daraus folgt, dass die gewählte politische Richtung nach dem selben Prinzip funktionieren soll wie unsere Wirtschaft (wenn jeder nach dem größtmöglichen Eigennutz handelt, wird dies zu größtmöglichem Nutzen für alle führen).
Wie in der Wirtschaft auch, funktioniert so etwas nur, wenn alle Beteiligten alle Informationen besitzen und keine Fehlinformationen existieren.
Also gar nicht.
Unsere Politiker schwenken ihr Fähnchen nach dem Wind, der wiederum aus der Summe des individuellen Eigennutzes auf der Basis bestenfalls lückenhafter Informationen entsteht.
Die Folge ist eine Politik der Rückzuggefechte, bei der keinerlei gesellschaftliche Ziele mehr angestrebt werden, sondern nur um die größten Brocken der Ruinen gefeilscht wird.
Umso mehr schauen die Menschen verwundert über den Atlantik, wo Barak Obama mit einer Zielsetzung in den Wahlkampf gegangen ist. Ob seine Versprechen Lügen waren oder nicht, wird die Zeit zeigen, aber das Versprechen des "Change" und die Ausrichtung der gesamten Politik auf ein klares gesellschaftliches Ziel sind für uns völlig fremde Gedanken geworden.
Natürlich kann man sich schwer vorstellen, dass ein Sohn türkischer Einwanderer mit einem Plan zur fundamentalen Umwälzung in Deutschland zum Bundeskanzler gewählt würde. Die Deutschen reagieren auf Ideen, die sie nicht schon hundert Mal gehört haben immer sehr ängstlich. Somit würde ein Politiker, um den Bogen zur eigentlich wichtigen Frage zu schlagen, der die Warheit klar ausspricht, die Probleme unbeschönigt benennt und echte, in der Regel erst einmal schmerzhafte Veränderungen vorschlägt vermutlich zumindest beim ersten Versuch nicht gewählt werden. In Deutschland wohl auch nicht beim zweiten.
Die eigentlich relevante Frage muss daher meiner Meinung nach lauten: Wollen Politiker eine bestimmte Politik vertreten, das Land voran bringen und echte Verbesserungen erreichen? Oder einfach nur gewählt werden?
Oftmals scheint es so, als würden Politiker sich mit bestimmten Lügen wählen lassen um dann eine gänzlich andere Politik zu betreiben, die sie für sinnvoller halten. Das wiederum ist eine gefährliche Verfälschung des Wahlgedankens, denn mit meiner Stimme stimme ich ja nicht in erster Linie für eine Person („der wird’s schon richten“), sondern für ein Programm, eine Zielsetzung. Wenn diese möglichst gefällig formuliert wird, nur um nach der Wahl ein gänzlich anderes Programm zu betreiben, so ist die Wahl gänzlich nutzlos gewesen.
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