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Streit der WocheHat die Jugend noch eine Jugend?

Jugendliche sind karriere- und verantwortungsbewusst, aber auch unpolitisch. Gehört die wilde Jugend der Vergangenheit an, oder sind Jugendliche heute nur faul und bequem?

Ist die Jugend wirklich überfordert? Bild: dpa

In den Klischees und ihren Bilderbüchern ist die Jugend eine wilde Zeit, geprägt von Freiheit und Selbstbestimmung. Ab und an vielleicht auch ein wenig Rebellion und Unvernunft. Womöglich geht es im Leben junger Menschen aber mittlerweile mehr um Fremd-, denn um Selbstbestimmung: Wenn der Mineralölkonzern Shell am kommenden Dienstag seine „Jugendstudie“ veröffentlicht, wird es darin nicht vorrangig um Träume und Pläne Jugendlicher gehen, sondern um ihren „Umgang mit Druck und Unsicherheit nach der Wirtschaftskrise“. Äußeren Zwängen also.

Bild: taz

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Tatsächlich lasten viele Anforderungen auf der jungen Generation: Arbeitsmarkt und Politik verlangen zielstrebige, flexible und immer jüngere Leistungsträger. Eltern wünschen sich würdige Repräsentanten der Familie. Ein Erwartungsdruck wird schon im Kindergarten an sogenannte „Fast Track Babys“ weitergegeben, Schüler des achtjähirgen Gymnasiums und Bachelor-Studenten werden unter straffer Anleitung direkt zur steilen Karriere geführt. Die „Generation Praktikum“ schuftet sich entgeltlos zum perfekten Lebenslauf.

Angesichts dieser Überforderung bleiben eigene Forderungen scheinbar oft auf der Strecke. Laut der Shell-Studie des Vorjahres werden Jugendliche zunehmend unpolitisch. Oder in Anbetracht des Lebenslaufzwanges sogar verantwortungsbewusster als ihre Eltern: Jugendliche haben nach einer Erhebung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung immer später Sex. Und verhüten gewissenhaft.

Andererseits: Jugendliche und Eltern jammern auf hohem Niveau. Es ist ein historischer Glücksfall, dass Jugendliche kaum noch zum finanziellen Überleben der Familie beitragen müssen, und sich stattdessen ungestört und jahrelang der Bildung widmen können. Gleichzeitig bieten sich vielen jungen Menschen materielle Möglichkeiten wie nie zuvor: Reisen und Mobilität sind erschwinglich, Kultur und Freizeitmöglichkeiten allgegenwärtig. Was von Musikschule über Ganztagsschule bis zu Praktikum für viele Kinder und Jugendliche Stress ist, mögen ältere Generationen als unangeahnte Möglichkeiten betrachten.

Schließlich kann man der über-forderten Jugend auch simple Bequemlichkeit vorwerfen: So ziemlich jedem Jugendlichen stehen alle Informationen und Vernetzungsmöglichkeiten offen. Ein Computer und ein Netzwerkkabel genügen, um in kürzester Zeit alle erdenklichen Ideen, Inspirationen und Kontakte zu erhalten. Es stehen alle Türen offen. Da ist es vielleicht doch eine Übertreibung von der verlorenen Jugend zu sprechen.

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15 Kommentare

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  • AB
    Arne Babenhauserheide

    Ich erinnere mich sehr gerne an die schönen Teile meiner Jugend. Spannende Urlaube, Spaß an Herausforderungen in der Schule, eine E-Mail-Liste in der ich auch in schweren Zeiten Lachen gelernt habe, immer mal wieder Chor oder Kampfsport und wöchentliche Rollenspielrunden - also 8 Stunden mit Freunden Geschichten erfinden.

     

    Dieses Jahr werde ich nun 30, mein Sohn ist 15 Monate alt, und ich merke, wie viel mir meine Jugend gegeben hat - weil ich durch 3 Stunden pendeln die Woche und familiäre Verpflichtungen seit einem halben Jahr keine Zeit für eine Rollenspielrunde hatte.

     

    Daher macht es mir Sorgen, daran zu denken, dass schon viele Jugendliche heute diese Möglichkeiten zu selbst organisierter Zeit nicht haben.

     

    Ich habe meine Doktorandenstelle zum Gutteil wegen der Dinge bekommen, die ich neben meinem Studium als Hobby gemacht habe. Und mein Studium habe ich zum Gutteil wegen der Dinge geschafft, die ich schon in der Schulzeit aus eigenem Antrieb gemacht habe.

     

    Und ich will, dass auch mein Sohn später diese Chancen hat.

     

    Dass ich mir heute manchmal Vorhaltungen anhören muss, wie sehr ich doch meine Zeit verschwendet hätte, verstärkt darum meine Sorgen um die Zukunft meiner Kinder deutlich. Denn wenn schon ich mir das anhören muss, nachdem ich bisher das meiste geschafft habe, was ich wollte, was werden wohl sie sich anhören müssen, wenn sie noch nicht wissen, ob ihre eigene Art zu leben funktioniert?

     

    Werden sie die Chance haben, ihren eigenen Weg zu finden, oder wird ständiger Druck sie auf ausgetretene Pfade zwingen, um ja jedes Risiko des Versagens auszuschließen - aber auch jede Chance herauszufinden, was sie eigentlich selber wollen?

     

    Ich will ihnen diese Chance geben. Ich hoffe, ich schaffe es.

  • S
    supermanuel

    Früher war alles besser - zumindest die Jugend. Die ist heute nämlich zu Vernunft und Sinn verkommen ...

     

    (supermanuel.de: "Die Jugend von heute: Rebellion gegen die Rebellion")

  • A
    Amos

    Zu wem oder was sollte die Jugend noch aufschauen? Zum Moloch Geld-? der ist nur für amoralische zu erreichen.

    Soll sich ein Jugendlicher zu einer Handwerker - Lehre hingezogen fühlen um später in einer unterbezahlten Zeitarbeit sein Dasein zu fristen um dann letztendlich mit einer mickrigen Rente auf den Tod zu warten oder in einem Pflegeheim dahinzuvegetieren ? Soll er in die Politik gehen um ein Selbstbereicherungskomiker zu werden? Das einzige was dieses Kapitalhörige System hervorbringt ist Defätismus. Das Outfit der Jugend und seiner "Kunstwörter" ist doch nichts anders als eine Verachtung dieses Nummermacher-Systems.

  • L
    Lulu

    Die "Alles steht euch offen Lüge" ist das einzige was "die Jugend" eint. Ich kenne keinen, dem alles offenstünde, bis auf ein paar privilegierte Ausnahmen.

    Und die Leute, die Henningst beschrieb, die mit dem super Lebenslauf, der nichtmal eine Lücke von fünf Minuen aufweisen darf, die wiederum allen anderen Angst machen, kenne ich auch.

    Vielleicht führt dieser universelle Druck "jemand" zu werden oder "etwas" aus seinem Leben zu machen (sprich:reicher sein als die anderen und vor allem reicher als die Eltern werden) zu diesem Hedonismus, dem "der Jugend" andauernd vorgeworfen wird.

    bin selbst übrigens 21.

  • B
    bluns

    zuerst wird "flexibilisierungs"- und andere arbeitsmarktpolitik bemängelt, die sich stück für stück daran macht den rest der relativen autonomie von universitäten zu zerstückeln.

    was will uns dieser artikel im folgenden sagen. dass eigentlich doch alles kein problem ist, weil wir die größten "digitalen" chancen haben, die je eine generation hatte?

    vielleicht sollten sich frühstückszeitungsschreiberlein zuerst am schopfe packen und anfangen die realität halbwegs kritisch zu präsentieren.

  • J
    Jaissesdennschonwiedersoweit?

    "Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer." - Sokrates

    Genauso Topaktuell könntet ihr über den Peloponnesischen Krieg oder den Ionischen Aufstand berichten.

  • RT
    Rolf Tensfeldt

    Wir wollen Alle Jugendlichen "Gleich" haben.

    Die sich nicht anpassen, werden an den Rand gedrängt.

    Und in den Medien vorgeführt.Die Ecken und Kanten die wir nun mal Alle haben, sind genauso wichtig.

    Das macht das Leben aus.

    Rolf Tensfeldt

  • VO
    Veil of ignorance

    Die das Bild der Jugend ist in den Medien total verzerrt, weil es einfach chronisch überladen ist und es stark an Reflexionen mangelt.

     

    ,,Früher" begann man eine Ausbildung mit 14 Jahren. Hatte man dann mit 18 Jahren eine feste Stelle, heiratete man seine Freundin und gründete eine Familie.

     

    Heute gilt man mit 25 Jahren noch als ,,Jugendlicher," laut OECD-Studie.

    Diese ,,Jugendlichen" sollen dann am politischen Prozess partizipieren, soziales Engagement in NGO`s aufweisen und natürlich nicht die berufliche Karriere vernachlässigen.

    Und wenn das alles beim Großteil der Menschen nicht passt, sind nicht die Ideale realitätsfern, nein es sind einfach die falschen Jugendlichen.

    Die Anmerkung, dass der Arbeitsmarkt keinerlei Chancen bietet, außer für Ingenieure und Informatiker, wird natürlich außer Acht gelassen. Denn man kann Menschen mit Zukunftsangst besser gegeneinander aufhetzen.

     

    Unpolitische Jugend-welch Anachronismus.

    Schließlich war doch jede bisherige (größere) soziale Bewegung in Deutschland aus einer extrinsischer Motivation heraus. Geführt von Menschen die bestenfalls Ende zwanzig waren.

     

    Aber die Jugendlichen von Heute haben ja alle Möglichkeiten, solange sie Internetzugang besitzen. Hut ab für diese These, FLORIAN NAUMAN.

    Ich google jetzt erstmal wo die Globalisierung ihren Hauptsitz hat für ne Demo und kette mich dann an der Luftverschmutzung fest!

  • MD
    Martin D.

    Ich bin 22 und aus meiner Perspektive gibt es tatsächlich wenige Jugendliche, die ihren eigenen Kopf haben. Man kann hier aber auch keine Debatte anfangen ohne eines deutlich klarzumachen: Das Bildungsideal des selbstverantwortlichen, eigenständigen Menschen, der aktiv an der Gesellschaft partizipiert oder zu ihr in Opposition steht, findet keine gesellschaftliche, geschweige den wirtschaftliche oder politische Unterstützung mehr. Wo denn eigenständig denken lernen und Erfahrungen machen, wenn außerfamiliäre und nicht-staatliche Bildung- und Jugendeinrichtungen finanziell kleingehalten werden? Wer "der Jugend von heute" gebetsmühlenartig die Rhetorik der (ökonomischen) Sachzwänge propagiert, also eine Rhetorik der Angst, dem möchte ich gleichermaßen unterstellen, dass er nicht am gesellschaftlichen Wandel interessiert ist.

    Wir sind nicht faul. Wir sind nicht automatisch karrieregeil. Aber wir werden zur Alternativlosigkeit erzogen.

  • J
    Jannes

    Ich fühle mich alles andere als jugendlos. Vieles wird über uns Jugendliche spekuliert und geschrieben und ich persönlich finde, dass diese ganzen Studien und Erhebungen, diese ganze Panikmache um eine fehlende Jugend doch sehr weit weg geholt ist.

    Ich mache dieses Jahr Abschlussjahrgang und wenn ich mir meine Mitschüler anschaue, dann kann ich eigentlich nur sagen, dass viele von ihnen politisch interessiert sind. Es fehlt ihnen schlicht an der Motivation auf die Straße zu gehen. Es fehlt an den großen Aufregethemen: Bildungspolitik ist für viele in der J13 Schnee von Gestern, Atomkraft spaltet die Jugend genau wie die Erwachsenen und Afgahnistan ist für den Durchschnitts 19 Jährigen sehr weit weg.

    Aber sind wir doch mal ehrlich. Waren nicht immer die Aufregerthemen für eine politische Jugend verantwortlich? Die 68er hatten den Muff von 1000 Jahren und die Jugendlichen der 80er Tschernobyl. Was haben wir?

    Wir haben unsere Themen und genau wenn diese Themen zur Sprache kommen, dann sind die Medien vor lauter demonstrierenden und protestierenden Jugendlichen erschrocken. Oder wie war das in Heiligendamm oder mit der Piratenpartei?

     

    (Jung)solidarische Grüße, Jannes

  • V
    vic

    Ich bin nun schon etwas älter. Nach meiner Erfahrung und in meiner Umgebung, auch Verwandschaft, kenne ich Jugendliche als - in Sachen Politik, Umwelt und soziale Gerechtigkeit - weiße Blätter.

    Ich hatte eine schöne Jugend, zwar kaum Geld, aber gute Eltern, Freunde und alles was damals dazugehörte.

    Und ich bin als Atheist und Sozialdemokrat (im Wortsinn) zur Welt gekommen, glaube ich;)

  • H
    henningst

    Später werde ich über meine Jugend sagen, dass sie größtenteils scheiße war. Durchsetzt von Druck, Erwartung und Depressionen, will ich sie zumindest jetzt so charakterisieren. In der Schule immer faul und desinteressiert konnte mir diese Institution nicht vermitteln, worauf es in Zukunft "ankommt". Völlig desillusioniert schlidderte ich ins Studium. Dies abgebrochen und dann das angefangen. Naja jetzt habe ich ein halbwegs meine Bedürfnisse befriedigendes Studium der Geographie gefunden und interessant dazu ist es auch. Klasse! Aber gegen diese Möchtegern-Manager von nebenan haste doch keine Schnitte. Heutzutage muss dein Lebenslauf perfekt durchorganisiert sein. Bloß keine Lücke entstehen lassen, Ausland ist wunderbar und ein Muss, genauso wie mehrere Toppraktika bei hochnotierten Börsenunternehmen etc. Dabei bleibt das schöne Leben links neben der Überholspur in der Seitenplanke kleben. Aber da muss man scheinbar dran teilnehmen, um später bitte nicht aus der stützenden staatlichen Hand zu fressen wie eine streunende Töle. Vielleicht ist unsere Generation von der Gier nach Geld und Ansehen zerfressen. Ich hasse mich dafür mich davon beeinflussen und herunterziehen zu lassen. Ich kanns nicht mehr hören. An jeder Ecke stehen diese Vorzeigestudenten und schreien sich ihren perfekt gebastelten Tages- und Lebensplan ins gebräunte und gegeelte Yuppi Gesicht.

    Es wird wahrscheinlich ne Menge Leute geben, die mir widersprechen. Kann sein ich bin halt Befangener. Aber Fakt ist aus Generation "0 Bock" ist zumindest Generation "10 Bar" geworden.

  • S
    schreiber

    wer diskutiert darüber? jugendliche?? nicht wirklich ... geht doch nach hause und zählt rückwärts - ihr habt das "immer schlimmer werden" schon hinter euch

  • A
    anke

    Wieder eine dieser Pseudo-Debetten, die mühsam dadurch am Leben erhalten werden müssen, dass man Leute, die kaum etwas gemeinsam und rein gar nichts miteinansder zu tun haben, zu einer dicken Brühe einkocht, die man mit DIE Jugend beschriftet. Die Hoffnung dabei? Die einen werden sich von den anderen provoziert fühlen und ihnen vehement und wortreich widersprechen, wenn sie behaupten: "So sind wir!"

     

    Wäre höchstens mal interessant zu erfahren, wie viele der "Debatten"-Teilnehmer unter 25 sind und welcher sozialen Schicht sie sich zugehörig fühlen. Aber das, nicht wahr, werden wir gewiss nicht herausfinden. Nicht hier und nicht so. DIE Jugend, schließlich, hat Verantwortung studiert. Sie benutzt nicht nur Kondome heutzutage, sondern auch Nicknames.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Nicht alle haben eine unbeschwerte Kinder-und Jugendzeit

    Kinder-und Jugendliche aus ärmeren Familien durchleben keine unbeschwerte Kinder-und Jugendzeit.

    Sie können sich keinen Besuch im Kino,Disko leisten-geschweige MarkenLabels erstehen.Im Gegensatz zu ihren betuchten Jugendlichen.

    Bildung ist für viele ,trotz Schüler BAFÖG nicht erschwinglich,was zur Folge hat,dass trotz Begabung,Intelligenz höhere Schulen nicht besucht werden.

    Auf der anderen Seite gibt es eine Kinder-und Jugendzeit die geführt wird wie ein Terminkalender,von einer Veranstaltung zur anderen. Immer TOP-leistungen erbringen,ob dies eine Kind-und Jugendzeit ausmacht ist zu hinterfragen.

    Eine Kinder-und Jugendzeit sollte unbeschwert,frei von Missbrauch,Gewalt jedlicher Art sein.

    Wohl dem,der von sich sagen kann,ich schaue gerne auf meine erlebte Kinder-und Jugendzeit zurück.

    Wolfgang Banse