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Streit der WocheGefährdet die Wahrheit den Weltfrieden?

Die neuesten Wikileaks-Dokumente beinhalten reichlich inoffizielle Lästereien. Können die unangenehmen Wahrheiten sogar den Frieden zwischen den Nationen gefährden?

Irans Armee zündet eine Shahin-Rakete. Hoffentlich bleibt das auch nach den Wikileaks-Enthüllungen nur eine Trockenübung. Bild: dapd

BERLIN taz/dapd | Die jüngsten Veröffentlichungen der Internetplattform Wikileaks haben heftige Diskussionen hervorgerufen. Nicht, weil dadurch Kriegsverbrechen aufgedeckt wurden, wie beim Bekanntwerden der Afghanistan-Dokumente, sondern weil nun jeder lesen kann, was US-Diplomaten und Politiker in Wahrheit über ihre Kollegen denken.

Einige, wie der ehemalige französische Außenminister Hubert Védrine, sehen darin keine echten Enthüllungen. Was über das Wochenmagazin Spiegel aus den insgesamt 251.287 Dokumenten aus dem US-Außenministerium kolportiert wurde, ist inhaltlich keine große Überraschung. Denn dass abseits des offiziellen Protokolls durchaus Klartext geredet wird, ist eigentlich selbstverständlich. Dass Guido Westerwelle Geltungsdrang besitzt oder Wolfgang Schäuble beim Kampf gegen den Terrorismus auf den Zugriff auf moderne Technologien setzt, muss eigentlich auch niemanden verwundern.

Für die betroffenen Politiker sind Zuschreibungen wie "aggressiv" oder "wenig kreativ" zwar nicht erfreulich, aber sicher zu verkraften, wie der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag Ruprecht Polenz (CDU) meint. Er bewertet die diplomatischen Depeschen dennoch als "äußerst brisant". Das Vertrauen auf diplomatischer Ebene sei dadurch erschüttert.

Eigentlich ist das wie in privaten Beziehungen auch, natürlich weiß man, dass auch vertraute Personen nicht immer Nettes über einen denken. Trotzdem belasten solche Lästereien die Freundschaft, wenn man davon erfährt.

Nachhaltiger könnten die US-Depeschen allerdings die diplomatischen Beziehungen in der arabischen Welt belasten. Denn sie legen tiefe Ressentiments arabischer Führer gegenüber Iran offen. So bezeichnet der ägyptische Präsident Husni Mubarak die Iraner als "große fette Lügner", und das ist schon eher eine grobe Beleidigung. Und wenn etwa Abu Dhabi im Kampf gegen das iranische Nuklearprogramm auf die Hilfe der Amerikaner setzt, oder der Jemen mit den USA kooperieren im Kampf gegen al-Qaida, dann bietet das reichlich Konfliktpotential im ohnehin angespannten nahen Osten.

Oder? Was meinen Sie: Gefährden solche Wahrheiten den Weltfrieden?

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18 Kommentare

 / 
  • J
    Jochen

    Wäre die Wahrheit verboten, bestünde die taz nur aus einer einzigen, einseitig bedruckten Seite. Das würde dann tatsächlich den Weltfrieden gefährden!

    (Ich wundere mich, dass das hier noch Keiner geschrieben hat. Sollte doch jedem klar sein.)

  • O
    Odysseus8

    Wegstecken war noch nie eine Stärke der USA

     

    Die sollten lieber ihr Haus bestellen.

     

    Bei 40 Mrd Doller Geheimdienstaufwand dürfte ein Administrator sowie entsprechende Benutzerrechte kein Problem sein. Zumal der Informant 250000 Dokumnete herruntergeladen hatte. Was nicht aufgefallen ist!

     

    Das soll unser Verbündeter sein?

     

    Dann vielleicht lieber die Russen oder die Chinesen.

  • G
    Goody

    Die Verschwörungstheorien haben offensichtlich zu jeder Zeit Konjunktur. "Hau den Ami" ist derzeit ja allzu beliebt. Na klar muss man die katastrophale Aussenpolitik der USA kritisieren, aber dass nun "alles Böse" von daher kommt, ist ja ziemlich irrwitzig. Allgemein kommt beispielsweise Russland in der journalistischen Berichterstattung tendenziell immer besser weg. Kein Wunder, sind ja auch lupenreine Demokraten. Bestimmte Veröffentlichungen können schon politische Brisanz haben, aber wenn Herr Ahmadinedschad aus zuverlässigen (?) Quellen liest, was seine angeblichen Freunde wirklich über ihn denken, ist ein Losschlagen gegen "die Ungläubigen" im Alleingang nicht unbedingt der nächste Schritt. Allerdings kann keiner wirklich voraussehen, wie ein Verrückter reagiert. Insofern bleibt alles Spekulation. Und der Weltfrieden ist und bleibt eine Illusion.

    PS: der Ausspruch "In the long run we are all dead" stammt nicht von McNamara, sondern von dem Ökonomen John Maynard Keynes, der diese Aussage bereits 1923 getroffen hat.

  • BS
    Benjamin Siegel

    Wieso wird der neutrale Aufzeiger der Wahrheit als Bedrohung angesehen?

    Alle diejenigen, die "Verbrecher" schreien, bedrohen doch mit ihren Aktionen den "Weltfrieden".

    Oder ist es weniger gefährlich, verwerflich oder verbrecherisch, solange keiner was davon weiß?

    Als Unwissender fragt man sich dann immer bloß, warum irgendwo ein weiterer Krieg ausbricht.

    Jetzt weiß man wenigstens, warum (allgemein betrachtet).

    Ob das besser ist oder nicht, ist ersmal egal, finde ich.

  • C
    charlot

    Wie groß doch das Erschrecken ist, wenn plötzlich die Realität in unser Leben dringt. Da wird das süße Bad in der Lügenbadewanne so plötzlich beendet. Oder nur unterbrochen? Wikileaks hat einen ganz kleinen Blick hinter das Polittheater freigegeben, mit dem wir uns täglich manipulieren lassen, z.T. weit weg von der Realität. So auch jetzt: die taz lenkt hier den Blick hauptsächlich auf die banalen Persönlichkeitseinschätzungen von Politikern. Die mögen richtig sein, sind aber dämlich.

    Die Enthüllungen im Zusammenhang mit den Kriegsschauplätzen im Orient und in Asien sind das eigentlich interessante, die illegalen deutschen Rüstungsexporte für und mit dem Kriegsverbrecher Blackwater sind ein unglaublicher Skandal und verstoßen massiv gegen deutsches Recht und das mit Wissen der Bundesregierung und Frau Merkel sitzt immer noch da. Gelten deutsche Gesetzte für die Regierenden nicht?. Auch die IM-Tätigkeiten für die Amerikaner seitens deutscher Politiker, wie von und zu Guttenberg und irgendwelcher Kartrieristen in der FDP, die hier Zuträger für die Amis waren, verlangt eine Reaktion. Die kommt aber nicht. Statt dessen beschäftigt man sich lieber mit der IM-Tätigkeit von Ex-DDRlern von vor 30 oder 40 Jahren. Deutschland-Maffialand!

  • DH
    David Hamann

    Die Veröffentlichungen gefährden nicht den Weltfrieden. Ich bin außerdem verwundert über das gewählte Wort "Weltfrieden", denn den gibt es mit oder ohne wikileaks-Dokumente schon lange nicht mehr. Zur Frage: Es gehört seit eh und je zu den Aufgaben von Botschaften und Konsulaten, "Denkschriften" und ähnliches über das jeweilige Land zu verfassen. Darin befinden und befanden sich auch immer schon komprimittierende und sehr offene Details. Leider hat Herr Assange aber schon durch die schiere Masse der veröffentlichten Dokumente den Grundsatz seriöser Überprüfung verlassen und dies stattdessen ausgewählten Medien überlassen. Der eigentliche Skandal der Veröffentlichungen liegt deshalb nicht im Inhalt der Dokumente (das der iranische Präsident bescheuert ist wussten Mubarak und andere sicher auch schon vorher), sondern im vermeintlichen Ende einer investigativen, aber stets der breiten Öffentlichkeit verpflichteten Internetplattform.

  • RW
    Roman W

    Gegenfrage: Hat Gallileo Gallilei den Weltfrieden mit seinen Thesen gefährdet?

  • JV
    Jenseits von Böse

    Gefährdet die Wahrheit den Weltfrieden? Na sicher doch! Mit weniger würde ich mich auf der letzten Seite der taz auch nicht zufrieden geben.

     

    Was sind schon die durch Wikileaks aufgedeckten Eitelkeiten unserer Polit-Gockel gegen die diplomatischen Verwerfungen, die durch die Enthüllung der polnischen Kartoffeln losgetreten wurden...

     

    ... Natürlich in der "Wahrheit". Erinnert sich noch einer? Genial!

  • T
    tophchirs

    langfristig (aber was ist schon langfristig... McNamara (ein alter IMF president oder sowa aehnliches) meinte mal: "in the long run we are all dead..." hoffentlich nicht -;): es ist unwahrscheinlich, dass das Gute durch das Schlechte bewahrt bleibt. Auf der anderen Seite ist das internet (zum Beispiel) durch die Anstrengung des Pentagons (mit)-entstanden ein militaerisches Kommunikationssystem zu bauen, dass einen Udssr Nuklearschlag standhalten koenne, von der Serie "Der Krieg als Mutter aller Dinge".

  • AS
    Arno Schmitgen

    Den Weltfrieden kann wohl heute nichts mehr gefährden - The business must go on - oder so ähnlich.

    Solange die Kapitalinteressen stimmen - und das funktioniert ja wahrlich immer besser - bleibt das System stabil und damit der Weltfriede.

    Das Ganze mag zwar peinlich sein, jedoch nicht bedrohlich.

  • D
    Demokrat

    Was könnte mehr zum Weltfrieden beitragen, als wenn alle Völker feststellen, wieviel sie tatsächlich gemeinsam haben:

     

    Wir alle werden von korrupten, machtgeilen, verlogenen Möchtegern-Eliten regiert!

     

    Übrigens ist Gewaltenteilung DAS grundlegendste Prinzip einer Demokratie. Dazu gehört, dass jene die Macht haben MEHR kontrolliert werden, als alle anderen. Da Parteien seit Jahr und Tag daran arbeiten, sich dieser Kontrolle zu entziehen, bedarf es auch mal ungewöhnlicher Methoden um die Dinge wieder ins Lot zu bringen. Dass die Mächtigen der Welt derartige Verhaltensweisen dann als kriminell bezeichnen ist trivial.

  • I
    Ich

    Den Weltfrieden (wer hat sich dieses Wort ausgedacht???) gefährdet sehe ich nicht. Auf den "Frieden" im Nahen Osten könnten die Veröffentlichungen schon andere Auswirkungen haben.

    Es könnte aber auch eine Chance sein. Die USA, Europa, Russland und bestimmte arabische Länder, etc. könnten die zwei größten Probleme momentan (NK und Iran) gemeinsam aus der Welt schaffen. Auf die ein oder eben andere Art.

    Gemeinsam zum Weltfrieden ;D

     

    @ Mirko:

    Die Woche wird spannend. Gleich der erste Kommentar eigentlich schon ne Verschwörungstheorie. Und es war ja anscheinend ein Ami... ;)

  • U
    UNI

    Nein, diese Wahrheit gefährdet den Weltfrieden bestimmt nicht! Im Gegenteil, viele werden ihre eigene Einstellung und Aussagen überprüfen und feststellen, dass sie auf der gleichen Welle reiten wie die ertappten Personen. Sie werden letztendlich ihre eigene Einstellung verändern müssen, wenn sie nicht weiterhin so widerwärtig sein wollen wie die anderen. Aber so manche Änderungen in der Diplomatie werden die nun aufgezogenen orkanartigen Stürme mit sich bringen. Stürme wirken reinigend, zerstören und machen Platz für einen Neuanfang. Übrigens... können wir überhaupt davon reden, dass es z.Zt. einen Weltfrieden gibt? Was ist mit den aktuellen Kriegen?

  • OA
    o aus h

    @Marek: Tut mir Leid, "das Gegenteil war schon der Fall" halte ich lange nicht für ein ausreichendes Argument. Zumal es eben auch das Beispiel gibt, dass durch die gezielte Veröffentlichung der Emser Depesche (-> http://de.wikipedia.org/wiki/Emser_Depesche ) durch Bismark 1870 die Kriegserklärung Frankreichs ausgelöst wurde.

  • JS
    John Smith

    Journalisten auf der Suche nach Durchblick.

    Also, das ist doch ganz einfach:

    Während die USA ihre Kriege mit Raketensprengköpfen

    und Drohnen führen, führt Assange seinen Krieg

    gegen die USA nur mit Worten, Dokumenten, die die USA

    selbst verfasst haben.

    Bettina Gauss (taz) sowie Journalisten von FAZ, ntv, usw. kritisieren Assanges Vorgehen, ohne die gleichen

    moralischen Maßstäbe an andere z.B. Hillary Clinton

    anzulegen.

    Damit ist doch eigentlich alles klar.

    Ich drücke Neo die Daumen.

  • BB
    Bert Blank

    Ich denke doch eher nicht. Die Wahrheit zu sagen kann ebenso wenig verboten wie gefährlich sein. Im Gegenteil kann es die Welt sogar sicherer machen, weil eventuell geplante Feldzüge so nun nicht mehr möglich sind. Und sofern die Daten authentisch sind, sind nun auch keine Emser Depeschen mehr möglich, es fällt also eine Möglichkeit der Kriegserklärung weg. Die Weltbevölkerung hat ein Anrecht zu erfahren, wie sie von ihrer jeweiligen Regierung vertreten wird. Und auch wenn es Gründe gibt, die eine Geheimhaltung von Daten wünschenswert erscheinen lassen, so darf man sich dennoch nicht aufregen, falls sie ans Tageslicht kommen. Es ist ein ständiges Katz und Maus Spiel und man kann dabei auch mal verlieren. Noch einfacher, als geheime Daten zu schützen, wäre es dennoch, würde man auf Geheimabsprachen und allgemein die "Produktion" solch sensibler Daten verzichten können.

  • M
    Marek

    Die Geschichte hat oft genug gezeigt dass es genau umgekehrt ist: Lügen und Verheimlichungen gefährden den Weltfrieden.

    Wären vorher die Wahrheiten über die vermeindlichen Kriegsgründe (egal ob Irak, Vietnam, 1. und 2. Weltkrieg) "geleakt" und öffentlich hätte es vielleicht viele millionen Menschenleben gerettet.

     

    Wie war das noch "Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten" ..das gilt nun auch für die andere Seite und nicht nur für den einfachen Bürger..

  • M
    Mirko

    Klar gefährdet diese Wahrheit den Frieden im Nahen Osten. Das war ja auch so gedacht. Ich würde mich überhaupt nicht wundern wenn das die Amis selber waren, die Wikileaks diese Dokumente zugespielt haben, um damit einen Krieg auszulösen. Der Iran greift Saudi Arabien und/oder seine Nachbarn an, wegen dieser Beleidigungen - besser kann es für die USA nun doch gar nicht kommen.

     

    Die Guten werden dann schon siegen.

     

    Ich hoffe ich irre mich da gewaltig, aber möglich ist schon alles...