Streit der Woche: Facebook-Partys ein Fall für die Politik?
Harmloser Spaß oder Problem für die öffentliche Sicherheit? Politiker in Deutschland diskutieren, ob ausufernde Facebook-Partys verboten werden sollten.
Ein unvergessliches Jubiläum: Die Gymnasiastin Thessa hatte Anfang Juni über Facebook zu ihrem 16. Geburtstag geladen – und ein Häkchen an der richtigen Stelle vergessen. So konnten alle Facebook-User Deutschlands – aktuell 20 Millionen, Tendenz steigend – von der Feier erfahren. Statt einigen Dutzend kamen 1.600 "Freunde" und feierten auf der Straße vor Thessas Elternhaus in Hamburg-Bramfeld. 100 Polizisten inklusive Reiterstaffel waren im Einsatz. Bilanz des Abends: Elf Festnahmen wegen Sachbeschädigung, Körperverletzung und Widerstand gegen die Staatsgewalt.
Zwei Wochen später wurde es noch wilder: 16 Verletzte und 41 vorübergehend Festgenommene waren das Ergebnis einer Facebook-Party in Wuppertal, die von anonymen Veranstaltern angekündigt worden war. Auch gewaltbereite Fußballfans aus der Ultraszene waren beteiligt. Wieder waren rund 100 Beamte nötig, um die Party aufzulösen – die Kosten des Einsatzes trägt der Steuerzahler.
Genug, finden nun die Innenminister der Länder Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Bayern. In der Welt am Sonntag forderte Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) ein Verbot "im Vorweg", wenn die öffentliche Ordnung gefährdet werde – sein bayerischer Amtskollege Joachim Herrmann (CSU) sieht ein "massives Sicherheitsproblem". Ralf Jäger (SPD), der Innenminister Nordrhein-Westfalens, lehnte im WDR-Hörfunk ein generelles Feierverbot zwar ab, forderte Facebook aber auf, die technischen Möglichkeiten für anonyme Masseneinladungen zu unterbinden. Unterstützung kommt von den Polizeigewerkschaften: Die Polizei müsse darüber entscheiden können, ob eine Veranstaltung stattfinden dürfe oder nicht.
Gegenwind für die Ministerpläne kommt aus Berlin. "Allein die Tatsache, dass es am Rande solcher Partys zu Ausschreitungen kommen kann, rechtfertigt ein grundsätzliches Verbot nicht", sagte Wolfgang Bosbach (CDU), Vorsitzender des Innenausschusses des Bundestags, dem Kölner Stadt-Anzeiger. Der innenpolitische Sprecher der SPD, Dieter Wiefelspütz, hält ein generelles Verbot für "viel zu undifferenziert" – nur in begründeten Einzelfällen sei ein Verbot zu vertreten. Und die Grünen wittern eine Scheindebatte: Die Innenminister würden verschweigen, "dass die Ordnungsbehörden schon jetzt entsprechende Befugnisse haben, bei Gefahren einzuschreiten", sagte Malte Spitz vom Bundesvorstand.
Harmloser Spaß für Jugendliche oder Problem für die öffentliche Sicherheit – was meinen Sie: Gehen Facebook-Partys die Politik was an?
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