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Streit der Woche"Eine Lösung ist nicht in Sicht"

Nach 10 Jahren werden die ersten Truppen aus Afghanistan abgezogen. Experten zweifeln, ob ihr Einsatz Demokratie brachte. Für andere ist ein Erfolg offensichtlich.

Mehr Sicherheit am Hindukusch? Afghanische Männer kontrollieren eine Straße. Bild: dpa

Zehn Jahre nach Beginn der US-Militäroffensive in Afghanistan erklärt der sicherheitspolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour, den Einsatz für verloren. "Der Krieg in Afghanistan ist gescheitert", schreibt Nouripour in einem Beitrag im "Streit der Woche" der sonntaz. Die USA und die Nato seien mit falschen Erwartungen an den Hindukusch gezogen.

Sie hätten einseitig auf militärische Instrumente gesetzt, der zivile Aufbau und politische Lösungsansätze seien stets zu kurz gekommen. "Eine Lösung ist nicht in Sicht, obwohl sie alternativlos ist", schreibt Nouripour.

Am 7. Oktober jährt sich zum zehnten Mal der Beginn des Einsatzes, mit dem die USA die Taliban und das Al-Quaida-Netzwerk in Afghanistan bekämpfen wollten. Auch die deutsche Bundeswehr beteiligt sich mit ungefähr 5000 Soldaten am Krieg. Noch in diesem Jahr sollen die ersten Truppen abgezogen werden – doch Sicherheit und Stabilität scheinen fern.

Immer wieder sterben Zivilisten und Soldaten bei Selbstmordattentaten, kürzlich wurde der frühere Präsident Afghanistans bei einem Bombenanschlag getötet.

"Afghanistan ist nicht verloren", entgegnet Michael Steiner, der Sonderbeauftragte der Bundesregierung für Afghanistan, in der sonntaz. Zehn Jahre internationales Engagement habe die Grundlagen eines souveränen Staates gelegt. Al Quaida habe dort keine Heimat mehr und auch sonst sei viel erreicht worden. "Unsere Truppen können daher schrittweise reduziert werden", schreibt Steiner.

Bild: taz

Den ganzen Streit der Woche und viele weitere interessante Artikel lesen Sie in der aktuellen sonntaz vom 1., 2. und 3. Oktober 2011 – ab Sonnabend zusammen mit der taz an ihrem Kiosk oder am //www.taz.de/zeitung/e-Kiosk/:eKiosk auf taz.de. Die sonntaz kommt auch zu Ihnen nach Hause: per Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz.

Auch Susanne Kastner, Vorsitzende des Verteidigungsausschausses im Bundestag, ist überzeugt von den Erfolgen des Einsatzes. "Ein Beginn der Demokratie ist dort durchaus erkennbar", schreibt sie in der sonntaz. Auch wenn es noch Defizite bei Verwaltung und Gerichtsbarkeit gebe, hätten sich beispielsweise die Rechte der Frauen verbessert. Auch nach Abzug der Truppen würde Deutschland das Land nicht im Stich lassen, sondern den zivilen Aufbau und die Ausbildung der Sicherheitskräfte weiter fördern.

Dagegen ist die ehemalige Bundeswehrärztin Heike Groos überzeugt, dass der Einsatz der Truppen in Afghanistan gescheitert sei. "In den letzten 10 Jahren hat sich dort nichts entscheidend verbessert", schreibt sie in der sonntaz. Es wäre nichts erreicht worden, was die vielen toten Soldaten rechtfertigen würde. Sie war ingesamt zwei Jahre in Afghanistan als Ärztin eingesetzt. Viele ihrer früheren Kameraden würden ihr schreiben, dass die Lage in Afghanistan immer schlimmer werde.

Außerdem diskutieren im „Streit der Woche" der aktuellen sonntaz der Außenpolitische Sprecher der CDU Philipp Mißfelder, der Geschäftsführer des Bunds für Soziale Verteidigung Björn Kunter, die Schauspielerin Mina Tander und der taz-Leser Philipp Göbel.

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9 Kommentare

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  • P
    PeterPan

    @von Makeze:

     

    Der Zustand hat sich also gebessert. Waren Sie mal dort?

  • TS
    Tillmann Schmalzried

    Afghanistan ist Opfer verpasster Gelegenheiten geworden. Die durch den Krieg militarisierte Machtordnung der Warlords wurde nicht in die Schranken gewiesen:

    Durchforstet man die Afghanistan-Wikileaks, so stellt man fest, dass inzwischen vielleicht eine halbe Million private Milizsoldaten existieren. Ausländische Truppen müssen Schutzgelder zahlen. Dazu kommen 10 000de von neuen, durch die ISAF aufgebaute ALP (Afghan Local Police). Das sind keine Polizisten, sondern Milizen von ISAFs Gnaden.

    Ebenfalls nicht gelungen ist der Krieg gegen die Straflosigkeit: Alles deutet darauf hin, dass Abdul Rabb al-Rasul Sayyaf, der Mentor Osama bin Ladens und einer der ersten Warlords, der ethnische Säuberungen in den Afghanistankrieg einführte, Anfang nächsten Jahres Oberster Richter wird.

    Die Internationale Gemeinschaft ist auch gescheitert, was die Förderung afghanischer Demokraten angeht. Der Träger des Leipziger Medienpreises Sayed Yaqub Ibrahimi z.B. musste Afghanistan verlassen, nachdem der jetzige Vizepräsident Fahim ihn mit dem Tod bedrohte.

    Scheinerfolge werden so verschwinden, sobald der afghanische Bürgerkrieg nach dem Abzug eines Großteils internationaler Truppen wieder an Fahrt aufnimmt.

    Tillmann Schmalzried, Afghanistan-Referent der Gesellschaft für bedrohte Völker

  • V
    vic

    Eine Lösung ist nicht in Sicht?

     

    Aber ein Abzug der Westallianz ist schonmal ein guter Anfang.

  • P
    Piet

    Ein Mitglied der afghanischen, sogenannten "Sicherheitskräfte" (Polizei, Militär)

    verdient umgerechnet etwa 50 US-Dollar im Monat.

     

    Da bleibt gar nichts anderes übrig,

    als den Bürgern bei jeder Gelegenheit

    Bakschisch abzupressen -

    mit der Macht, die eine Waffe und eine Uniform verleihen.

     

    Die beiden vertraueneinflößenden Figuren

    auf dem Foto, die "kontrollieren" natürlich nur...

  • H
    hto

    Natürlich ist eine Lösung aller Probleme des "freiheitlichen" Wettbewerbs um ... in Sicht, die gutbürgerlich-gebildete Suppenkaspermentalität will sie bloß auf Teufel komm raus nicht sehen, hören, sprechen - das GLOBALE und somit unkorrumpierbare MENSCHENRECHT auf Nahrung, Wohnen und Gesundheit (kein Geld für Grundnahrungsmittel, keine Miete, keine "Sozial"-Versicherungen mehr), denn wenn GRUNDSÄTZLICH alles allen gehört, kann PRINZIPIELL alles wirklich-wahrhaftig ORGANISIERT (nicht regiert) werden, damit "Wer soll das bezahlen?" und "Arbeit macht frei" absolut keine Macht mehr hat.

  • R
    reblek

    "Eine Lösung ist nicht in Sicht, obwohl sie alternativlos ist", schreibt Nouripour von den sogenannten Grünen. "Alternativlos" war, was Schröder verzapft hat, und auch bei Merkel ist alles "alternativlos". Deshalb sollten wir Automaten aufstellen, die können "Alternativloses" völlig phantasielos regeln. Aber was Nouripour schreibt, falls er richtig zitiert sein sollte, ist der glänzendste Blödsinn der "Alternativlosigkeit": "Eine Lösung ist alternativlos." Das nenne ich Inhaltsleere in Vollendung.

  • JS
    Johan Schreuder

    'Al Quaida habe dort keine Heimat mehr'

    Stimmt, die haben die Nord Atlantische Terror Organisation und der CIA abgezogen damit die in Libyen kämpfen können.

  • V
    vic

    Die Rache- und Ressourcenfeldzüge der USA hatten nie einen "Sinn", und schon gar keine Berechtigung- außer der oben genannten.

    Natürlich sind sie verloren, doch für alle Seiten.

    Zuviel Tote, zu viele Verletzte, zu viele Witwen und Waisen.

    Zu viel Hass.

  • M
    Makeze

    Der Zustand in Afghanistan hat sich auf jeden Fall verbessert in den Letzten 10 Jahren. Der offene Bürgerkrieg ist vorbei. Wer anderes bestreitet sollte sich mal über die Einnahme von Masar-i-Sharif durch die Taliban erkundigen. Ein Abzug der ausländischen Truppen ist m.M.n. verfrüht, aber genau wissen was danach passiert, kann niemand. Das ist alles Spekulation. Nur müssen diejenigen, die für einen sofortigen Abzug plädieren sich auch bewusst sein, dass wenn es danach zu einem erneuten Bürgerkrieg kommt, sie in mittelbarer Weise eine Mitschuld tragen. Das Risiko einer erneuten Eskaltion und weiterer Jahre des Bürgerkrieges ist da. Das sollte sich nur jeder bewusst sein. Wenn so viele Menschenleben potenziell gefährdet werden, sollte man Rationalität den plumpen politischen Parolen vorziehen.