Streit der Woche: „Schützenvereine sind wertvoll“
Der Grüne Hans-Christian Ströbele fordert schärfere Lagerbestimmungen für private Waffen. Der bayerische Innenminister verteidigt die Sportschützen.
Nach dem Amoklauf von Memmingen hat der bayerische Innenminister Joachim Herrmann das bestehende Waffenrecht verteidigt und vor vorschnellen Schlüssen gewarnt.
In seinem Gastbeitrag im Streit der Woche der aktuellen sonntaz schreibt er: „Das Waffengesetz ist in den letzten Jahren immer wieder verschärft worden. Es gelten strenge Regeln: Jeder, der eine Waffe will, wird turnusgemäß auf Zuverlässigkeit geprüft. Zweifel gehen zu seinen Lasten. In den allermeisten Fällen erweist sich das als ausgesprochen wirksam.“
In Vereinen gemeinschaftlich ausgeübten Schießsports sieht Herrmann keine Orte der Gefahr, sondern Horte der Bewahrung von Traditionen: „Schützenvereine sind nicht nur Teil einer gewachsenen, jahrhundertealten Kultur, sondern leisten auch einen wertvollen gesellschaftlichen Beitrag.
In einer Zeit, in der soziale Bindungen schwächer werden und Wertevermittlung wichtiger wird, schaffen sie Zusammenhalt. Ihre Jugendförderung ist vorbildlich: Jugendliche lernen dort Konzentration und Geduld.“
Die Gefahr der schussfertigen Waffe
Der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele dagegen sieht in den bestehenden Gesetzen zur Lagerung von Waffen ein Problem und fordert ihre Verschärfung: „Hunderttausend scharfe Waffen in Privatbesitz sind eine Gefahr: Der Zugriff Dritter ist nicht auszuschließen.“
Den kompletten Streit der Woche, ein Gespräch mit dem Protest-Songwriter Billy Bragg, ein Porträt des Occupy-Vaters David Graeber und viele andere spannende Geschichten lesen Sie in der sonntaz vom 2./3. Juni 2012. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz
Schusswaffen privat zu Hause zu lagern, sei nur aus zwingenden Gründen zu erlauben, bei Jägern oder besonders gefährdeten Personen. Er mahnt: „Für Schützenvereinsmitglieder gilt dies nicht. Schon gar nicht für Waffenliebhaber, die im Verein sind, um zu Hause Waffen haben zu dürfen.“
Ganz entwaffnen möchte auch Ströbele die Schützen allerdings nicht. Er plädiert dafür, die Vorgaben für die Lagerung zu ändern: „Sportschützen benötigen Waffen nur am Schießstand. Dort sind sie sicher aufzubewahren.“ Dass bedeutet für ihn: „Schusswaffen und Munition sind getrennt aufzubewahren: Die Gefahr stellen ja schussfertige Waffen mit Munition dar.“ Die Grünen hätten im Bundestag beantragt, die gemeinsame Lagerung zu verbieten.
Amokläufe und legale Schusswaffen
Ginge es nach Mick North, einem engagierten Waffenkontrollaktivisten aus Großbritannien, gäbe es ein absolutes Waffenverbot: Das Gesetz dürfe die individuellen Vergnügungen von Schützen nicht über die öffentliche Sicherheit stellen. „Denn,“ so schreibt er der sonntaz in einer Mail: „Waffen werden für einen einzigen Zweck gebaut. Zu töten.“ Er fordert: „Im Interesse der allgemeinen Sicherheit dürfen Waffen nicht privat gelagert werden.“ In Großbritannien gibt es bereits ein Totalverbot von Kurzwaffen. Die englischen Waffengesetze werden zu den schärfsten der Welt gezählt.
Das ist laut North, der für die Gesetzesverschärfung gekämpft hat, nur konsequent:„Während die Waffenhalter häufig die Legalität und ausschließliche Verwendung der Waffen für sportliche Zwecke betonen, werden diese Waffen ebenso häufig gegen Menschen gerichtet“, schreibt er. Bei den meisten Amokläufen in den westlichen Industrienationen würden legale Schusswaffen verwendet.
North fordert ein generelles Verbot privaten Waffenbesitzes: „ Die Gefahr, die eine einzige falsch aufbewahrte Waffe darstellt ist einfach zu groß. Sport darf keine Waffen legitimieren.“ Seine Überzeugung fußt auf Erfahrung: 1996 stürmte im schottischen Dunblane ein schwer bewaffnetes Schützenvereinsmitglied eine Schule und erschoss 16 Grundschüler und ihre Lehrer. Eine der Schülerinnen war Norths Tochter.
Die sonntaz-Frage „Müssen Sportschützen entwaffnet werden?“ diskutieren außerdem Bernd Carstensen, Vizepräsident des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Philologiestudentin und taz-Leserin Duygun Akdere, Paintballerin Franzi Dünkel, die Ethiklehrerin und Betroffene des Amoklaufes in Winnenden Gisela Mayer und Roman Grafe, Autor und Sprecher der Initiative „Keine Mordwaffen als Sportwaffen!“ – in der sonntaz vom 2./3. Juni, am Kiosk, eKiosk oder im Wochenendabo.
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