Streit der Woche: Der Humor des Propheten
Ein Skandal um seiner selbst willen ist nur Selbstbefriedigung, sagt Nahostexperte Michael Lüders. Andere verteidigen die Pressefreiheit.
„Mohammed gehört nicht nur den Muslimen alleine, sondern der Menschheitsgeschichte an“, schreibt der Publizist Hamed Abdel-Samad in seiner Antwort auf die Streitfrage in der sonntaz. Die sonntaz hatte gefragt, ob Mohammed-Karikaturen Ausdruck westlicher Arroganz seien.
Nachdem das französische Satireblatt Charlie Hebdo am 19. September Karikaturen von Mohammed veröffentlichte, die ihn unter anderem als Unruhestifter zeigten, hatte es weltweit Proteste gegeben. Die Debatte um die Grenzen der Meinungsfreiheit kochte hoch. Es sei nicht arrogant, den Propheten satirisch unter die Lupe zu nehmen, schreibt Abdel-Samad im Streit der Woche. Arrogant sei es, „wenn man davon ausgeht, dass Muslime noch nicht weit genug sind, Humor zu verkraften“.
Der Bischof der evangelischen Kirche in Berlin, Markus Dröge, sieht das ähnlich, jedoch müsse jeder, der mit den Mohammed-Karikaturen arbeite, verantworten, dass er sich in diesem Dialog für Konfrontation entscheide. In seinem Streitbeitrag erinnert Dröge an die Worte des Großmuftis von Ägypten, Ali Gomaa.
Dieser hatte darauf hingewiesen, dass Mohammed der sensible Referenzpunkt muslimischer Identität sei. Muslimischen Gläubigen hatte Gomaa nach der Veröffentlichung der Karikaturen geraten, die Kritik gelassen hinzunehmen, da auch Mohammed selbst mit Beleidigungen immer souverän umgegangen sei.
Provokation und Selbstbefriedigung
Den kompletten Streit der Woche und viele spannende Texte lesen Sie in der sonntaz vom 29./30. September 2012. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz.
Für den Nahostexperten Michael Lüders ist das Argument „die Satire dürfe alles“ nur vordergründig. In erster Linie gehe es bei diesen Karikaturen um Profilierung und Auflagensteigerung. So würden die Salafisten gestärkt und die gemäßigten Muslime geschwächt. Lüders stellt fest: „Es ist ein Privileg alles sagen und schreiben zu dürfen. Klugheit, den richtigen Ton zu treffen.“ Der Skandal um seiner selbst willen sei Selbstbefriedigung.
„Wir haben die Freiheit, durch die Art der Berichterstattung zu zerstören oder Brücken zu bauen“, schreibt die taz.de-Leserin Ida Tschichoflos. Ihr Fazit: „Es liegt an uns, für was wir uns entscheiden.“
Lamya Kaddor, Vorsitzende des Liberal-Islamischen Bundes geht es nicht um die Frage der Pressefreiheit, sondern um die Frage, ob man Ressentiments bedienen und die Gefühle von Gläubigen verletzen muss – egal zu welcher Religion sie gehörten. Nicht wegen drohender Ausschreitungen sei die Veröffentlichung der Karikaturen unverantwortlich, argumentiert Kaddor, „sondern wegen des antireligiösen Chauvinismus.“
Die sonntaz-Frage „Sind Mohammed-Karikaturen Ausdruck westlicher Arroganz“ diskutieren außerdem die Soziologin Naika Foroutan, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek und der Student Lucas Dembinsky, der die Frage per Email kommentiert hat – in der sonntaz vom 29./30. September.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken