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Streit der Woche zum Abschied vom Auto"Abrüstung ist möglich"

Müssen wir uns vom Auto verabschieden? Nein, der Pkw gehöre zur persönlichen Freiheit, sagt Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer. Grünen-Politiker Winfried Hermann hält dagegen.

Das Auto - ein Auslaufmodell? Bild: tinomite / photocase

Angesichts der "European Mobility Week" fordert Grünen-Politiker Winfried Hermann eine neue Mobilitätskultur, " in der das Auto die Vorherrschaft verliert.“ Öffentlicher Verkehr, Fuß- und Radverkehr müssten optimal miteinander verknüpft werden, schreibt der Vorsitzender im Verkehrsausschuss des Bundestags im Streit der Woche in der sonntaz. Gerade wegen des wachsenden Interesses an Massenmotorisierung – etwa in China - „müssen die Industrieländer zeigen, dass Wohlstand und klimaschonende Mobilität kein Gegensatz sind“, so Hermann.

Dagegen argumentiert Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU), dass „das Auto unverzichtbarer Teil der persönlichen Freiheit“ sei und bleiben würde. „Es sichert jedem Einzelnen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben“, schreibt Ramsauer in der sonntaz. Er räumt aber ein, dass neue Antriebstechnologien entwickelt werden müssen. „Denn die fossilen Brennstoffe gehen in überschaubarere Zeit zu Ende.“ Die Zukunft gehöre den Elektroautos, angetrieben mit Strom aus erneuerbaren Energien.

Seit Donnerstag läuft die „European Mobility Week“, an der fast 2000 Städte in ganz Europa teilnehmen. Nachhaltige städtische Mobilität steht im Mittelpunkt der Aktion, alternative Verkehrskonzepte werden diskutiert. Höhepunkt ist der autofreie Tag am 22. September.

Bild: taz

Den kompletten Streit und viele weitere Artikel lesen Sie in der aktellen sonntaz vom 11./12. Septemberhttp://www.taz.de/zeitung/tazinfo/sonntaz-vorlauf/. Ab sofort mit noch mehr Seiten, mehr Reportagen, Interviews und neuen Formaten. Die sonntaz kommt jetzt auch zu Ihnen nach Hause: per Wochenendabo.

Wie Ramsauer, glaubt auch Jürgen Leohold, Leiter der Konzernforschung bei VW, an die Unverzichtbarkeit des Pkw. „Individuelle Mobilität ist und bleibt ein Grundbedürfnis der Menschen“, sagt er taz.de. Mobilität sei die Voraussetzung, um zur Arbeit, zur Schule oder zum Einkaufen zu kommen. „Ohne Fahrzeug wäre das Leben außerhalb der Ballungsräume heute nur noch schwer vorstellbar.“ Herbert Kohler, Forschungschef bei Daimler, stellt die Bedeutung des Autos für die deutsche Wirtschaft ins Zentrum der Debatte. „Zudem gibt es Regionen, in denen individuelle Lösungen unverzichtbar sind“, sagt er taz.de. Die Auto-Mobilität werde es auch in Zukunft geben. „Wir werden sie allerdings immer wieder neu definieren.“

Kerstin Haarmann, Geschäftsführerein des Verkehrsclubs Deutschland, sieht kaum Vorteile von individueller Automobilität. „Das Auto ist heute ein Renn-Panzer“, schreibt sie in der sonntaz. „Die Anhäufung von Ineffizienz ist eine Beleidigung des Technologiestandort Deutschland." Die „Abrüstung im Straßenverkehr“ sei möglich: durch Carsharing-Konzepte, Elektrofahrräder und einer Kombination mit dem öffentlichen Verkehr.

Auch Rolf Kreibich, Chef des Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung, glaubt, dass wir uns vom Auto, wie wir es heute kennen, verabschieden müssen. „Es wird zwar auch in 50 Jahren noch Individualfahrzeuge geben, sie werden aber wegen der zerstörerischen Folgen andere sein, als die, die heute unserer Städte und die Umwelt kaputt machen“, sagt er taz.de. Man müsse weg kommen von der Vorstellung, dass jeder Mensch ein eigenes Auto besitzt. Besonders in westlichen Industriestaaten sei die Motorisierung extrem vorangeschritten. Während in den USA auf 1000 Einwohner bereits jetzt 780 Pkw kämen, in Deutschland 540, seien es in China gerade einmal 18, in Indien gar nur neun Fahrzeuge pro 1000 Einwohnern. „Es bedarf nicht allzu intensiver Überlegungen, dass eine gleiche Automotorisierung weltweit wie heute in den USA oder Europa nicht zukunftsfähig ist“, so Kreibich.

Im Streit der Woche in der sonntaz diskutieren außerdem taz.de-Leser Helmut van der Buchholz, ADAC-Präsident Peter Meyer und Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Automobilindustrie.

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18 Kommentare

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  • BB
    Berger Berlin

    Hier ein Gedicht meines Vaters, einem der ersten Taz-Abonnenten und wie ich ohne Einschränkungen seit 1978 autofrei, für Hr. Ramsauer. Denn wie jeder der arte sieht aus dem Beitrag "Erdöl" weiß ist das Auto und selbst die Autofreien Sonntage gezielt von der Erdölindustrie gesteuert werden.

     

    Das Autistenlied

    Brumm, brumm, brumm, Autofahrn ist dumm,

    Zig Millionen umgebracht,

    Fahrern hat es Spaß gemacht

    Brumm, brumm, brumm, Autofahrn macht dumm.

     

    Brumm, brumm, brumm, Autofahrn ist dumm,

    Spekulanten reich gemacht,

    Erdöl an die Macht gebracht,

    Brumm, brumm, brumm, Autofahrn macht dumm.

     

    Brumm, brumm, brumm, Autofahrn ist dumm,

    Was hat's der Erde angetan?

    Kann die Menschheit nie bezahl'n!

    Brumm, brumm, brumm, Autofahrn macht dumm.

     

    Brumm, brumm, brumm, der Tod fährt rum,

    diesem Gott geopfert Mensch und Tier,

    für kurzen Spaß und Macht und Gier,

    Brumm, brumm, brumm, der Tod fährt rum.

    L. Berger Buchen, geschrieben 18.09.2010

  • AS
    autofreie Schnecke

    Aha, es ist also persönliche Freiheit das Klima zu gefährden, Rohstoffe in Unmengen zu verbrauchen, Leute totzurasen, Landschaften zuzuteeren und uns mit Lärm zu terrorisieren ?

    Nein, das ist Lobbyismus, Dummheit, Vandalismus an unsrem lebensraum.

     

    Motor ausschalten, Hirn anschalten.

  • V
    vic

    Es gibt hier ein Problem.

    Hier, das ist der Verkehrs Verbund Stuttgart VVS, wo das Geld anderweitig benötigt wird.

    Radfahrer dürfen ihr Gefährt kostenlos in der S- und Regionalbahn mitnehmen - aber nur außerhalb der Hauptverkehrszeiten, wenn niemand mehr von oder zur Arbeit fährt. Toll!

  • SW
    Simon Wehr

    Man darf bei der Debatte nicht vergessen, dass Großstädte und Ballungsräume erst durch motorisierten Verkehr ermöglicht wurden. Es ging auch mal anders. Vor Jahren noch hatte jedes Dorf eine halbwegs akzeptable Infrastruktur. Diese stirbt dadurch, dass alle mit dem Auto in das nächstgrößere Einkaufszentrum oder in die Stadt fahren etc. Darunter leidet dann oft auch die Busanbindung, weshalb man erst recht ein Auto braucht – ein Teufelskreis entsteht …

     

    Ich selber lebe seit weit über 10 Jahren ohne eigenes Auto ganz wunderbar. Aber mit Füßen, Fahrrad und ÖPNV komme ich nicht immer zumutbar ans Ziel. Ohne PKW komme ich auch nicht aus! Entweder ich nutze Carsharing, oder Freunde und Eltern holen mich andernorts vom Bahnhof ab. (Somit ermöglichen sie meine Autofreiheit – auch nicht unbedingt toll.)

     

    Ich denke, das sind alles lösbare Probleme. Aber es bedarf einer großen Kraftanstrengung, hier wirklich Änderungen zu erreichen, dass sollten auch Ideologen nicht vergessen. Bisher scheitern die meisten Ideen am Geld.

  • NN
    Nurman Nowak

    Eyeyey, die Arroganz der Grossstaedter...

    Lieber Berliner, in Berlin mag das alles vielleicht moeglich sein, aber leider wohnen nicht alle in Deutschland in der Stadt. So lange es in D moeglich ist mit dem Flieger oder dem Auto billiger von Muenchen nach Berlin zu kommen wird sich an der Einstellung gegenuebr Individualverkehr nichts aendern. Ein bisschen mehr Realitaetssinn wuerde ich mir wuenschen, aber auch das die Grossstaedter mal runterkommen von ihrem hohen Ross...

  • G
    gmathol

    Habe lange in der Schweiz gelebt und muss sagen das das Verkehrskonzept dort so hervorragend funktioniert das sogar Manager und hochrangige Politiker in oeffentlichen Bussen zu finden sind.

     

    So sieht eben halt eine echte Demokratie aus, dort zahlt z. B. auch ein Bankmanager 100.000 Franken und mehr in die dortige Arbeitslosenkasse.

     

    Das dann auch 15 Jahre Arbeit in der Schweiz mehr Rente als 45 Jahre BRD mit Vollzahlung bringen wundert dann auch nicht mehr. Schweizer Arme haben sogar mehr Einkommen vorzuweisen als die gutbezahlte Mittelklasse in Deutschland.

     

    Gruezi! Schoen weiter den Buerokraten und Eliten dienen.

  • G
    gmathol

    Auch wenn man es nicht wahrhaben will: die Massenmotorisierung endet und das nicht nur wegen Oel-Ausfall.

     

    E-Fahrzeuge werden nicht nur teuerer sein, sondern auch einen eingeschraenkten Radius haben.

     

    "Essen oder Autofahren" - diese Entscheidung duerfte doch wohl leichtfallen. Alternativer Lebensstil heisst auch Abschied vom Konsum umd Abschied vom Wachstum.

     

    Desweiteren leben mittlerweile 7.9 Milliarden Menschen auf diesem Planeten - schon mal darueber nachgedacht wenn die all motorisiert werden wollen?

  • AN
    Arno Nyhm

    Das Auto ist unverzichtbar als Teil der persönlichen Freiheit - aber nicht für Hartz-IV-Empfänger, da ist es verzichtbarer Luxus.

     

    Es ist doch immer wieder schön, dass Schwarz-Gelb noch ein bisschen schizophrener spricht und agiert als Schwarz-Rot und vorher Rot-Grün.

     

    MfG, Arno

  • Y
    Yadgar

    Autoautoautoautoautoautoautoautoautoautoautoautoautoauto!

     

    Es ist an der Zeit, dass sich Neuroelektroniker und Biokybernetiker mal Gedanken darüber machen, wie man die Fusion von Mensch und Auto technologisch bewerkstelligt - wenn wir in Zukunft nicht mehr Auto fahren, sondern Auto *sind*, sollte sich der größte Teil unserer gegenwärtigen Umwelt- und Verkehrsprobleme gelöst haben!

     

    Mensch-Auto-Mischwesen kämen z. B. ohne aufwendigen Wohnraum aus, würden auch weniger hohe Ansprüche an das sie umgebende Gasgemisch (vulgo Luft) stellen, da sie zur Aufrechterhaltung ihrer "Körper"funktionen nicht atmen müssen, folglich kann der größte Teil der gegenwärtig noch vorhandenen Biosphäre zuasphaltiert werden - Autos wollen schließlich fahren!

     

    Ja, ich glaube, der Animationsfilm "Cars" stellt unsere Zukunft durchaus realistisch dar...

  • U
    utopisst

    Benzinsteuer für Privatverbraucher:

    500%

     

    Ja, bitte.

  • DN
    Das Nörgel

    Auf so ne bescheuerte Idee können nur Menschen kommen, die in ner Stadt leben, wo es bereits als mittlere Katastrophe gilt wenn die S-Bahnen mal "nur" 3x pro Stunde fahren...

    neee, kauft lieber mal 100000 Busse, schult 300000 Arbeitslose zu Busfahrern um und bietet mehr Busverkehr an, nicht nur 3x am Tag und bitte kostenlos und überall kreuz und quer durch die Landschaft.

    Viel effizienter als ein voll besetzter Linienbus wird's wohl bis auf Weiteres nicht werden.

  • T
    Tollschock

    Es ist in der Summe eine Frage der Fitness. Wenn ich schon höre das Mütter gestresst sind weil sie ihre Kinder permanent durch die Gegend chauffieren. Wenn ich mitbekomme das ein Autofahrer besser subventioniert wird als ich als Radfahrer und dann noch das Recht auf die persönliche Freiheit andere mit dem KFZ persönlich zu nerven indem Straßen komplett zugeparkt werden oder aber verkehrsgefährdend telefonierend nichtblinkend andere Verkehrsteilnehmer mißachtend ein Fahrzeug ungeführt durch die Gegend rollt. Es ist an der Zeit mit neuen Ideen diese Art von Individualverkehr zu unterbinden. Aber wir reden hier ja mit Menschen

    denen der Spaß am bewegen abgeht und die ja schon am frühen Morgen nicht die Zeit aufbringen zu früstücken

    und lieber im Auto den Kaffee in Form McDrive-Plörre oder sonst irgendeiner Fastfood-Kette fröhnen.

    Das ist sehr individuell aus der Sicht derer die damit das Geld verdienen.

  • F
    finjo

    vllt. wäre ein erster schritt in die richtige richtung, die horrenden preise der deutschen bahn zu senken. im augenblick kann man die selbe strecke für den selben preis zweimal hin- und zurückfahren.

    da könnte der staat als mehrheitlicher anteilseigner doch mal ne richtung vorgeben.

    also auf geht's!

  • C
    Clarissa

    Alles gut und schön, in Ballungsgebieten mag das gehen in Flächenländern wie z.B. Bayern ist das unmöglich. Für mich als MCS Kranke undenkbar, ich kann ja nicht einmal mehr Taxi fahren geschweige denn Bus oder Bahn, dazu müsste erst einmal eine vollkommen schadstoffreie Umgebung geschaffen werden damit ich und 10% der Bevölkerung ÖPNV, Car-Sharing und co nutzen könnten.

    Da das aber nicht zu verwirklichen ist, bin ich zwang weise auf meinen eigenen PKW angewiesen, leider, denn es kostet sehr viel ein bisschen Freiheit und Überlebensraum zu erhalten.

  • V
    vantast

    Vor etwa 40 Jahren gab es schon diese heißen Diskussion, sie ist in aller Stille ausgeklungen. Die Leute mit dem Tick "das Auto bedeutet für mich persönliche Freiheit" haben sich durchgesetzt, sind nur alt gewordene Kinder geblieben. Jetzt kommt das ungelöste Problem unter anderen Gesichtspunkten wieder: Jetzt sind die vielen Zerstörungen durch das Auto uninteressant, der Sprit geht zur Neige.

    Es ist sehr bedauerlich, daß sich die Phantasielosigkeit durchgesetzt hat, wie schön wäre ein gut ausgebautes, soziales Verkehrssystem gewesen mit weniger Verbrauch in jeder Hinsicht und mehr Gelassenheit.

  • P
    p3t3r

    ist das nun versteckte werbung, wenn der text verlinkt ist. mit einer website für bezahlinhalte.

    muß das nicht gekennzeichnet werden.....? ;-)

     

    ***

    Anmerkung der Redaktion: Sorry, da ist was schief gelaufen, wir haben es behoben. Und photocase ist eine Seite, von der wir hin und wieder Bilder beziehen, wie auch in diesem Fall, sie ordentlich bezahlen und auf die Seite verlinken.

  • T
    thoDr

    KFZ Steuer weg und dafür Zeitkontingente fürs Autofahren verkaufen! Mittels Chipkarte und Leser im Armaturenbrett völlig easy umzusetzen.

  • TB
    Thomas Bode

    So ein Zufall, am Donnerstag hatte ich, ohne von dem Event zu wissen, spontan mein Auto an einen Interessenten verkauft, und am nächsten Tag einen Car-Sharing-Vertrag gemacht.

    Was sich einstellte, war neben einem klitzekleinen bisschen Traurigkeit über den Abschied vom Weggefährten - Erleichterung! Ein Gefühl von Freiheit. Endlich nicht mehr an den Klotz da draußen auf der Straße gebunden sein. Mit Frostschutz, Politur, Waschanlagen-Besuchen, Öl usw. für sein Wohlergehen sorgen müssen.

    Durch Car-Sharing hat man Zugriff auf eine ganze Modell-Palette vom Kleinwagen bis zum Kombi, je nach momentanem Bedarf, - Freiheit!

    Gestern gleich für 2 Stunden einen Kombi genommen, eine Riesenpflanze gekauft und in die Wohnung geschafft, - wäre mit dem eigenen Fahrzeug gar nicht verlustfrei möglich gewesen..

    Der Freiheits-Begriff von Herren Ramsauer ist, wie nicht anders zu erwarten, engstirnig und rückwärtsgewandt. Wenn man heute nicht nur stur und unbelehrbar, sondern wirklich konservativ sein will, also Gutes erhalten, muss man neue Konzepte entwickeln.