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StreiklichtIn des Generals Fußstapfen

■ Jacques Chirac und die gaullistische Gratwanderung

Die Beziehung zwischen Jacques Chirac und General de Gaulle ist symbiotisch: Die Männerfreundschaft fing Anfang der 60er Jahre an, als der gegenwärtige Präsident bei dem großen General im Elysee-Palast in die Lehre ging. Und sie führte ihn am 9. November, dem 25. Todestag de Gaulles, bis in das private Schlafgemach des Generals im lothringischen Colombey-les- deux-Eglises.

Seine eigene Karriere bestritt Chirac als politischer Nachlaßverwalter de Gaulles. Und immer, wenn es brenzlig wurde, zitierte er sein Idol. Zuletzt am Wochenende: „Wenn die Franzosen sich streiten, muß man zu ihnen von Frankreich sprechen.“ So äußerte er sich nach tagelangem Schweigen zu der Streikbewegung, die bereits einen Großteil des Landes erfaßt hatte. Der Staatspräsident tat dies aus dem westafrikanischen Staat Benin.

Inzwischen ist die Streikbewegung immer breiter geworden. Sie legt Paris völlig und die französische Provinz teilweise lahm. Sie diktiert die Tagesordnung im französischen Parlament. Und sie zwang den Premierminister zu einem Fernsehauftritt, bei dem er versuchte, seine Reformen zu erklären.

Der General hat Ähnliches erlebt. Das war 1968. Damals begannen die Demonstrationen mit den Studenten von Nanterre. Bald schlossen sich Kommilitonen von der Sorbonne und anderen Universitäten an. Im Mai lag das ganze Land drei Wochen lang lahm: Arbeiter besetzten die Renault-Werke, die Schulen machten dicht, es gab kein Benzin mehr, im Quartier Latin brannten die Barrikaden und Polizisten und Studenten lieferten sich Straßenschlachten. Die französische Regierung wies Daniel Cohn-Bendit, einen der drei Köpfe der Studentenbewegung, nach Deutschland aus. Und eröffnete – auf Druck von Premiermister Georges Pompidou – Verhandlungen. In dieser Situation setzte sich der General am 29. Mai 1968 nach Baden-Baden ab. Klammheimlich verließ er seine belagerte Hauptstadt im Hubschrauber. Im Schwarzwald traf er General Massu, den einstigen Sicherheitschef in Algier.

Biographen zufolge hatte de Gaulle nicht vor, von seiner Eskapade zurückzukehren. Aber schon am nächsten Tag verkündete er im französischen Radio die Auflösung des Parlamentes und Neuwahlen. Am Abend demonstrierten daraufhin 800.000 seiner Anhänger in Paris. Wenige Tage später öffnete die französische Polizei zwangsweise die Post, vertrieb die Arbeiter aus den Renault-Werken und räumte das besetzte Odeon-Theater in Paris. Der Pariser Mai war zu Ende. Ebenso allerdings der Ruhm des Generals. Nach Baden-Baden fährt heute auch Chirac. Offiziell reist er zum deutsch-französischen Gipfel mit Bundeskanzler Kohl. Von einer Flucht kann keine Rede sein. Eine Kapitulation steht auch nicht auf dem Programm. Doch bei Chirac, dem Symbiosekünstler, ist nichts unmöglich. Dorothea Hahn

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