Streik der Drehbuchautoren: Die Schlacht um Hollywood
Was Lokführer schaffen, können Drehbuchautoren auch: Um viel Geld geht es beim Arbeitskampf in der US-Filmbranche. Seit zwei Wochen kann nicht mehr gedreht werden.
WASHINGTON taz Die Traumfabrik hat Albträume. Statt in den Studios auf ihren Einsatz zu warten, sitzen Maskenbildnerinnen, Kabelträger und Schauspieler zu Hause. Bereits seit zwei Wochen gibt es für sie nichts zu tun und auch kein Geld. Denn diejenigen, die sonst für Nachschub sorgen, die Drehbuchautoren, streiken. Zum ersten Mal seit zwei Jahrzehnten hatte die Gewerkschaft Writers Guild of America (WGA) angekündigt, mit ihren 12.000 Mitgliedern ab dem 5. November in den Ausstand zu gehen. Die Entscheidung war gefallen, nachdem Gespräche zwischen der WGA und ihrer Gegenspielerin, der Alliance for Motion Picture and Television Producers, zu keinem Ergebnis geführt hatten.
Der ungewöhnliche Kreativen-Streik hat seine Vorgeschichte in den Achtzigerjahren. Damals hatten die Drehbuchschreiber Kürzungen ihrer anteiligen Honorare aus Autorenrechten von bis zu 80 Prozent akzeptiert. Dafür bekamen sie das Versprechen der Studios, die Zahlungen aufzustocken, sobald die damalige Krise überwunden sei. Trotz großer Profite der Studios blieben die Sätze für Urheberrechtszahlungen niedrig. Jetzt will die WGA "unsere Verträge hinsichtlich der Beteiligung am DVD-Verkauf sowie der aus dem Internet herunterladbaren Filme und TV-Shows neu verhandeln".
Branchenkenner gehen davon aus, dass die Kreativpause mehrere Monate dauern könnte, was Verluste bis zu einer Milliarde Dollar bedeuten würde. Anders als beim letzten Streik in den Achtzigern haben es die Drehbuchschreiber nicht mehr nur mit einer Phalanx von Studioleitern zu tun. Heute kämpfen die Lieferanten der Traumstoffe auch gegen Konzerngiganten wie News Corp. und Walt Disney, die sich mit gut gefüllten Kassen einen monatelangen Machtkampf leisten können.
Während die Konzerne durch das neue Medium DVD unerwartete Gewinne erzielen, sind in Hollywood permanent bis zu 48 Prozent der Drehbuchschreibenden arbeitslos. Diese Durststrecken können die Kreativen finanziell oft nur durch die Ausschüttung von anteiligen Honoraren aus Autorenrechten überbrücken. Entgegen dem gängigen Klischee verdienen Drehbuchautoren in der amerikanischen Film- und TV-Industrie selten mehr als fünfstellige Dollar-Beträge. Mancher lebe von Scheck zu Scheck, sagt James Brooks, Autor, Regisseur und Produzent von "The Simpsons".
Seit Beginn der Streiks haben US-Fernsehsender wie CBS und Fox gedroht, diejenigen zu verklagen, die nicht zu den Produktionsterminen erscheinen. Kündigungen wurden bereits angekündigt. Konzerne und Studios schalten in Branchenpublikationen wie Variety Annoncen, in denen sie die Darstellung der WGA "richtig stellen": Sie hätten vor Beginn der Streiks bereits "beachtliche Kompromisse" angeboten, heißt es dort. Die WGA hält dem entgegen, dass die Studios in ihren Kompromissen allerdings keine Angebote hinsichtlich des ausschließlich fürs Internet produzierten Materials gemacht hätten.
Genau diese Kategorie könnte aber, glaubt die WGA und glauben unabhängige Branchenexperten, schon in wenigen Jahren alle neuen TV-Shows umfassen. Obgleich die Studios heute dank neuer Technik und Internet neue Produkte effektiver und billiger publizierten, beharrten sie darauf, so die WGA, dass Autoren für Internet-Content lediglich der alte DVD-Satz gezahlt werde, der bei vier US-Cents pro 100 Dollar liege. Sender böten zudem viele ältere TV-Shows zum kostenlosen Download im Internet an. Während die Anbieter von den dazu im Umfeld geschalteten Anzeigen profitierten, gingen die Autoren leer aus, da die Downloads kostenlos seien.
Die Entertainment-Konzerne wiederum beschuldigen die WGA, ihnen verbieten zu wollen, mit innovativen Business-Modellen in den neuen Medien zu experimentieren. "Es ist ein dumm gewählter Moment, um für etwas zu streiken, das noch gar nicht weit genug gediehen ist, um sagen zu können, ob das überhaupt ein Geschäft und ein Markt wird", sagte am Wochenende Michael Eisner, Manager des Disney-Konzerns.
Die Solidarität mit den Autoren ist in den USA vor allem in den Medien groß. "Der Kampf der Drehbuchschreiber ist ein todernster Test. Es geht darum, ob die US-amerikanischen Arbeiter noch die Durchschlagskraft haben, sich gegen die ungezügelte Gier der modernen amerikanischen Konzerne durchzusetzen", kommentierte die Washington Post kürzlich den Hollywood-Streit. Solche Töne lassen in den Manageretagen die Besorgnis wachsen, der Machtkampf könnte das Image der Hochglanz-Industrie trüben. Also Risikominimierung: WGA und Studios kündigten am Wochenende an, am 26. November ihre Anfang des Monates abgebrochenen Gespräche wieder aufnehmen zu wollen.
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