■ Straßmanns kleine Warenkunde: Die dritte Hand
Die entzückendsten Waren dieser Welt gibt es ohne Zweifel im Sanitätshaus. Nicht aber die dritte Hand. Höchstens eine erste oder zweite.
Die dritte Hand wurde für Menschen entwickelt, die eigentlich rundum gesund und vollständig erhalten sind, die aber für gewisse Verrichtungen gar nicht genug Hände haben können. Wir begegnen ihr in erster Linie im Fahrradreparatursektor. Hier speziell bei der Wartungsmaßnahme Handbremse einstellen. Schwielige Fahrradmechanikerhände lösen die kontermuttergesicherte Feststellschraube, pressen gleichzeitig die Felgenbremsklötze zusammen und müssen nun, im selben Moment, den Seilzug spannen. Dazu aber fehlt – man rechne nach – eine Hand. Die dritte Hand! Ein simpler Klemmbügel, der die zweite Hand spielend ersetzt.
Erfinder der dritten Hand war ein neapolitanischer Trickbetrüger Ende des 16. Jahrhunderts. Zur vollen Blüte gelangte sie aber erst zu einer Zeit, als auch die dritten Zähne und die dritte Welt erfunden wurden. Die schönste, ja delikateste dritte Hand erhält man bei Horten, 4. Etage, in der Fundgrube (10 Mark).
Von einem soliden schwarzen Sockel richtet sich in der Art eines aufgebrachten Insekts ein über 10 Gelenke in unendlich viele Richtungen verstellbares Metallkonstrukt auf. In der Mitte gleich dem Auge Gottes ein schwenkbares Vergrößerungsglas. An beiden Enden der dünnen Metallarme sitzen furchterregende Kneifer. Jeder simuliert den Funktionszusammenhang Daumen-Zeigefinger. Darum sprechen Pedanten gern von einer vierten Hand. Mithilfe dieses genialen Geräts kann man alles Erdenkliche unter der Lupe betrachten und dabei noch mit einer Hand Geld verdienen und mit der anderen ein Kind trösten oder eine Platine löten. Ein Wunder mithin!
Das Wunder der dritten Hand verweist uns Menschen auf unsere dunkle Herkunft. Als Affen hatten wir vier Hände und reparierten zwei Fahrräder gleichzeitig. Die Erinnerung tut weh: Die beiden Hände, die wir an den aufrechten Gamg verloren, bereiten uns heute noch Phantomschmerzen.
Schmerzen: das führt uns zur SCHÖNSTEN HOTLINE DER WOCHE (Tusch, Bewegung unter den Welpenfreunden, ein Schock Malte-seräffchen schwenkt dritte Hände): Sie kommt vom Tierschutzverein, heißt „Bremer Welpeninfo-Band“ und ist erreichbar unter Telefon 0421/376 39 29. BuS
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