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■ Straßmanns kleine WarenkundeSteckschaum

Walpurga! Walpurga!! Wenn ein Meteorologe Bähnke heißt, muß er seine Zunge hüten. „Das Wetter ist so bescheiden, da würde ich lieber im Bett bleiben,“ zitiert die Tagespresse Bähnke, denn: „Walpurga kommt kalt und naß.“

Bähnke lümmelt sich auf dem Lotterbett, seine Zunge züngelt ungehütet, da kommt (naß und kalt) Walpurga. Ein schönes Ende für einen Meteorologen. Drumherum: einundachtzig gröhlende Schaulustige.

Man kann gar nicht oft genug eine Lanze für Schaulustige brechen. Knack, knack, knack. In jedem Schaulustigen ist ein Bröckchen Humanität aufgehoben, während uns im Schauunlustigen, der mit starrem Geradeausblick am blutenden Unfallopfer vorbeirast, der zombiehafte Zwangscharakter begegnet. Rasen zombiehafte Zwangscharaktere gerade nicht fühllos an Verendenden vorbei, kaufen sie Steckschaum ein.

Freie und glückliche Menschen wie du und ich kaufen niemals Steckschaum ein. Wir trippeln vergnügt zum angesagten Cityfloristen mit italienischer Grundausbildung, der mit kühner Geste sauteure Exotikblüten und Möhrenkraut zu einem genialischen Strauß komponiert, welcher exakt drei Tage hält. Der zombiehafte Zwangscharakter dagegen kauft für DM 3,99 vier Stück Steckschaum. Natooliv und zylindrisch geformt, fünf Zentimeter hoch und im Durchmesser acht - so muß er sein, der Steckschaum, und hinein gehören drei Gerbera. Diese bohrt man drehend und schiebend zugleich in die bröselige Masse. Das ganze zombiehafte Zwangsarrangement wird behutsam in eine Vase gesetzt, so bleibt es zuverlässig in Form und hält sich locker zwei Wochen.

Es ist also gar nicht schwer, am Strauß den Menschen zu erkennen. Herrn Bähnke müssen wir uns als einen Typ vorstellen, der gern zu Moosröschen greift. Übrigens sagen Leute wie er zu Steckschaum „Moosi“. Für alle, die schon beim Gedanken an das Wort Moosi eine Gänsehaut bekommen, folgt hier eine Mißbrauchsanleitung.

Statt einer Gerbera bohre man seinen eigenen Zeigefinger in einen frischen und trockenen Steckschaum. Man lasse nach und nach alle anderen Finger der einen Hand folgen. Mit der anderen umfasse man den gesamten Schaumzylinder und presse so fest wie möglich.

Sie werden, das garantiere ich Ihnen, vor Lust schreien. Dieses subtile Knirschen! Dieses widerständige und doch freundliche Nachgeben des Schaums! Dieses Gefühl, zugleich gewonnen zu haben und unterlegen zu sein! Ach!

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