■ Straßmanns kleine Warenkunde: Der Auto- aschenbecher
Über Autoaschenbecher soll man so reden: Er quillt über. Er ist ungünstig angebracht. Er ist beleuchtet. Da hat wieder so ein Schwein seinen Autoaschenbecher einfach auf dem Parkplatz ausgeleert. Wer so über Autoaschenbecher redet, macht sich unangreifbar und ist nie allein. Er gleitet durch Tempo-30-Zonen, fährt aussterbende Orchideen platt und hat keine Feinde. Manche Kriege wären zu verhindern gewesen, hätte jemand die Kontrahenten rechtzeitig in ein Autoaschenbechergespräch verwickelt.
Entsprechendes gilt für die Türklinkenpädagogik. Ruckzuck ist man bei der Drehtürpsychiatrie oder auch bei den vielfältigen Möglichkeiten, einen Türken zu linken. Man kann zum Beispiel Türken linken, indem man den Autoaschenbecher mit einem Zweikomponentenkleber zuklebt. Schon ist man bei der Nichtraucherproblematik und hat die Kurdenproblematik elegant umschifft.
Im Autoaschenbecher liegen für gewöhnlich die Zigarettenstummel brav nebeneinander. Einige sind noch recht lang mit einem stark abgeknickten Ende, als wäre gerade eine Nichtraucherin eingestiegen. Für diese Version spricht auch das Kaugummipapier in der Ecke, weil der Fahrer seinen Mundgeruch verbessern wollte. Gegen diese Version spricht eine Kippe mit Lippenstiftspuren. Vermutlich lief das Gespräch nicht wie erhofft, denn man entdeckt mehrere völlig zerwühlte Stummel. So sehen Stummel nur aus, wenn sich starke Emotionen mit Zerknirschung paaren. Die zerwühlten Stummel tragen keine Lippenstiftspuren – so eiskalt war die Lady. Liegen die Kippen alle dicht zusammengedrängt im vorderen Teil des Autoaschenbechers, wurde abrupt gebremst, woraufhin die eiskalte Lady abrupt aus dem Auto sprang. Wie belemmert (der Autor besteht auf dieser Schreibwaise; der Douden gebe ihm recht; dort aber ist nichts zu finden – die Räd.) wird der Fahrer über Autoschierlingsbecher nachgedacht haben. Dann wird er sich eine angezündet haben. Mit dem Zigarrenanzünder. Ist das nicht struntzkomisch?
Über das, was als struntzkomisch zu gelten hat, herrscht Uneinigkeit. Ich zum Beispiel finde es struntzkomisch, auf Autobahnparkplätzen direkt neben dem Auto den Autoaschenbecher zu leeren. Oder bei voller Fahrt Colabüchsen aus dem Fenster zu schmeißen. Und dazu schimmeligen Käse einer atombombentestenden Nation zu essen und von Kreuzen in Klassenzimmern zu schwärmen. Das alles finde aber nur ich allein struntzkomisch, darüber läßt sich – anders als beim Autoaschenbecher – überhaupt kein gesellschaftlicher Konsens herstellen. BuS
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