: Stopp dem Dornröschenschlaf
■ Pflanzenexperte Manfred Damroth plädiert dafür, THC-freien Hanf wieder anzubauen / Doch er dämpft zugleich alle Euphorie
Professor Damroth ist Leiter des Instituts für Pflanzenbau der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft in Braunschweig. Er erforscht dort den THC-Gehalt von Hanfsorten aus aller Welt.
taz: Was halten Sie von der Forderung, den Anbau von Hanf in der Bundesrepublik wiederzuzulassen?
Manfred Damroth: Ich bin sehr dafür, den Hanf aus seinem Dornröschenschlaf zu wecken. Aber nur so weit, daß die THC-armen Formen wieder zum Anbau zugelassen werden.
Die Opiumstelle des Berliner Bundesgesundheitsamtes argumentiert, es gebe keine THC-freien oder THC-armen Hanfvarianten. Vielmehr könne sich jeder Same unter bestimmten Bedingungen zu einer THC-haltigen Pflanze entwickeln.
Bei einer zugelassenen Sorte ist der THC-Gehalt genetisch festgelegt und variiert nur in ganz engen Grenzen. Es ist daher aufgrund biologischer Gesetzmäßigkeiten unmöglich, Pflanzenformen mit höherem THC-Gehalt zu entwickeln.
Wieviel müßte man von dem THC-armen Zeug denn rauchen, um eine Rauschwirkung zu spüren?
Dazu möchte ich mich nicht äußern.
Ist die THC-arme Art überhaupt noch zur Rauschmittelgewinnung geeignet?
Die Rauschmittelproduktion wäre ausgesprochen schwierig und die Ausbeute sehr gering.
Halten Sie es für eine sinnvolle Alternative für die hiesige Landwirtschaft, THC-armen Hanf flächendeckend anzubauen?
Das hängt davon ab, inwieweit wir den Naturprodukten im täglichen Leben einen Platz einräumen. Die Verwendung von Naturfasern nimmt ja allgemein zu. Allein in Deutschland kämen dafür über 40 Pflanzenarten in Frage. Die Zukunft der Hanffaser liegt aber weniger im Textilbereich als im Einsatz für technische Zwecke: Von der Herstellung von Dämmmaterialien und Faserplatten über die Auskleidung von Fahrzeuginnenräumen bis hin zur Herstellung von Brems- und Kupplungsbelegen.
Aber wir dürfen uns nicht dem Duktus hingeben, es könnten Zehntausende von Hektaren angepflanzt werden. Der Anbau von Hanf wird eine Nische im Konzept der Nutzung nachwachsender Rohstoffe sein, denn die Pflanze braucht eine gute Wasserversorgung, um entsprechende Erträge zu liefern.
Wäre es Ihrer Meinung nach nicht möglich, den Hanfanbau zu kontrollieren, um zu überprüfen, daß es sich nicht um Pflanzen mit einem hohen THC-Gehalt handelt?
Eine Kontrolle ist durchaus möglich, weil beim Hanf jedes Jahr neues Saatgut benutzt werden muß. Dieses kann nur von zugelassenen Sorten kommen. Durch die Kontrolle des Einkaufszettels für das Saatgut kann der Landwirt belegen, daß er die richtige Sorte angebaut hat. Außerdem wird ein solcher Anbau immer in Erzeugergemeinschaften stattfinden, die auch eine Kontrolle bedeuten.
Dann steht dem Anbau in Deutschland doch eigentlich nichts mehr im Wege.
Doch, das Verbot. Und ich warne eindringlich davor, zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf die Idee zu kommen, Hanf anzubauen. Zuvor muß eine Novellierung des Betäubungsmittelgesetzes erfolgen. Unsere Stellungnahme an das Ministerium sieht so aus, daß wir dazu raten, den Anbau von THC-armem Hanf zuzulassen. Doch diese Novellierung braucht Zeit.
Aber selbst wenn das Gesetz geändert wäre, könnte niemand mit dem Hanf etwas anfangen, weil wir weder in Deutschland noch anderswo eine vernüftige, auf die heutigen Erfordernisse abgestellte Aufarbeitung haben. Alles, was es auf diesem Sektor bisher gibt, sind Kleinstprojekte.
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