Störende Riesen-Werbeplakate: Gerüste lassen Hüllen fallen
Die Stadtentwicklungssenatorin findet Großplakate im öffentlichen Raum inzwischen hässlich. Die Bezirke sollen sie verbieten können. Diese Möglichkeit hatte Junge-Reyer 2005 selbst abgeschafft.
Der Senat sieht seine Erlaubnis für riesige Werbeposter an Gebäuden inzwischen kritisch. "Das Stadtbild wird verschandelt", findet nun Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD). Ihre Verwaltung bereite daher eine Gesetzesänderung vor. Den Bezirksämtern soll wieder erlaubt werden, die Größe und Dominanz von Werbeplakaten an Baugerüsten bei der Genehmigung zu berücksichtigen.
Im Jahr 2005 hatte die Koalition aus SPD und Linkspartei das Baurecht erheblich geändert. Junge-Reyer hatte damals gesagt, es gehe darum, "einen Teil der bisherigen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung in die Hände derjenigen übergeben, die hier Verantwortung übernehmen können - also der Bauherren, der Architekten und der Ingenieure". Dieser "Rückzug des Staates" solle ein schnelleres Antragsverfahren für Investoren und Bauherren schaffen und damit ein "außerordentlich modernes Bauordnungsrecht".
Das im Abgeordnetenhaus beschlossene Bauvereinfachungsgesetz legte ausdrücklich fest, dass das so genannte Verunstaltungsverbot nur noch für fest installierte Werbung gilt - aber nicht mehr für Werbung an Gerüsten. Solche Werbung können die Bezirke also nicht verbieten, wenn sie der Ansicht sind, dass die Werbung das Straßenbild störe. In der Begründung des Gesetzes hieß es, dass die Werbung an Baugerüsten ja zeitlich begrenzt sei. Dies "rechtfertigt einen anderen Beurteilungsmaßstab als bei dauerhaft angebrachter Werbung".
In den folgenden Jahren hatte die Anzahl der Riesen-Werbeposter stark zugenommen. Nicht nur private Investoren nutzten oft die Chance, über die Werbung an einem Baugerüst zusätzliches Geld zu verdienen - auch die öffentliche Hand freute sich über die Einnahmen. Besonders umstritten war etwa die Werbung am Bettenhochhaus der Charité und das komplett verhüllte Charlottenburger Tor an der Straße des 17. Juni. Der Senat "befürwortet einen zurückhaltenden Einsatz von Werbeflächen zur Finanzierung von Baumaßnahmen", schrieb Junge-Reyers Staatssekretärin Regula Lüscher im August 2007 als Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Claudia Hämmerling.
Hämmerling hatte bereits früh die "Schäden für das Stadtbild" kritisiert und zudem vermutet: "Die Eigentümer verhängen die Fassaden oft nur zu Werbezwecken und ohne dass dies bautechnisch erforderlich wäre. Zudem erfolgt die Verhüllung sogar über lange Zeiträume, in denen gar nicht gebaut wird."
Nun ist also auch Junge-Reyer umgeschwenkt. Als besonders abschreckendes Beispiel nannte sie am Donnerstag im Abgeordnetenhaus die Werbung des ZDF am Potsdamer Platz. Der Sender hatte während der Berlinale ein riesiges orangefarbenes Sofa aufgehangen und dafür geworben, sich Kinofilme lieber auf dem eigenen Sofa als im Kino anzuschauen. Junge-Reyer dazu: "Vor vier Jahren hätte sich niemand vorstellen können, dass man an einer Fassade am Potsdamer Platz ein Sofa aufhängt. Das ist ein Stück Verunstaltung." Über die geänderte Bauordnung muss das Abgeordnetenhaus entscheiden. Die neuen Vorgaben sollen bis zum Ende 2009 in Kraft treten und für Plakate ab einer Höhe von fünf Metern gelten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut