: Stinkende braune Flüssigkeit
Neonazis mobilisieren zum Ende der Wehrmachtsausstellung. Schon in den vergangenen Wochen provozierten sie an mehreren Orten in der Stadt. Polizei fährt schweres Geschütz auf und sperrt Winterhude schon ab sechs Uhr morgens ab
von ANDREAS SPEIT
Die Neonazis kommen wieder. Erneut wollen die Rechten am Samstag gegen die Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941 - 1944“ aufmarschieren. „Dies ist die letzte Gelegenheit“, betont Neonazi-Führer Christian Worch. Denn am 28. März schließt das Hamburger Institut für Sozialforschung (HIS) um Jan Phillip Reemtsma für immer die Ausstellung.
Die Behörden lehnten die von Worch als „Abschluss gegen den Reemtsma-Wanderzirkus“ gewünschte Route vom Barmbeker Bahnhof aus zwar ab, dafür dürfen die Neonazis ihren „Unmut über die Soldatenverleugnung“ ab 13 Uhr erneut nahe dem Ausstellungsort Kampnagel verkünden. Bereits zur Ausstellungseröffnung Ende Januar waren an die 1.200 Neonazis aus dem bundesweiten Netzwerk der Freien Kameradschaften in die Hansestadt gekommen. Bestärkt von diesem Erfolg, wirbt nun das Aktionsbüro Norddeutschland um Thomas Wulff mit dem Motto „Reemtsma lügt – wir haben gesiegt“.
Zwar haben sich die langjährigen Kampfgefährten Worch und Wulff über die rechte Strategie zerstritten, doch das hindert die norddeutschen Neonazi-Führer nicht, zusammenzuarbeiten. Das Aktionsbüro greift auch nicht mehr offen den von Worch vorangetrieben „Demo-Tourismus“ an. Stattdessen setzen die Kameraden um Wulff die von ihnen vorgeschlagene Basisorientierung um. „Während des Ausstellungszeitraums“ schlug das Aktionsbüro schon vor Wochen vor, böten sich viele „Möglichkeiten“.
Dem Appell folgten die Aktionen. Getreu Wulffs Konzept, die Aktivisten an der Basis besser einzubinden und sich lokal zu positionieren, führten sie vielfältige Provokationen durch. In der Innenstadt tauchte ein Neonazi als Weihnachtsmann auf: „Ho, ho, ho – wer noch an mich glaubt, glaubt auch Reemtsmas Lügen“, rief er, und seine Kameraden verteilten Flugschriften. Begleitet von einer Gitarre schmetterte ein Neonazi-Trio in der Bergedorfer Fußgängerzone Soldaten- und Nazi-Songs. Ebendort führten die Rechts-Aktivisten ein Straßentheater auf, mit dem sie auf die „gefälschten Bilder in der Schandausstellung“ hinweisen wollten. In der Wandsbeker Einkaufsstraße liefen sie mit Esels- und Schafsmasken, sowie Umhängeschildern umher: „Ich Esel glaub noch immer, dass alle Wehrmachtssoldaten Verbrecher waren.“
All diese Aktivitäten machte das Aktionsbüro erst im Nachhinein öffentlich, um die Binnenwirkung nicht zu gefährden. So auch ihre Störaktion im HIS: Am 27. Februar besuchten an die 40 Neonazis den Vortrag „Soldaten der Wehrmacht im Vernichtungskrieg“ des Historikers Christoph Rass. Kaum hatte Rass vor den etwa 70 Gästen zu reden begonnen, entrollten sie ein Transparent mit der Aufschrift „Reemtsma lügt – Wahrheit siegt“. Mit Zwischenrufen wie „Alles Lüge“ während des Vortrages und Anmerkungen der Sorte: „Warum haben Sie nicht von Dresden geredet?“, bei der Diskussion bestimmten sie den Abend. Als der Moderator die Veranstaltung abbrach, skandierten sie „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“.
Ein voller Erfolg, wertete das Aktionsbüro das Auftreten. Dabei erwähnte es noch nicht einmal die Aktion, stinkende Flüssigkeit in den Ausstellungsräumen ausgekippt zu haben.