berliner szenen: Stinkbombe und Knoblauch
Es wurde Zeit, den Gutschein vom Zauberkönig einzulösen, den es zu Weihnachten gegeben hatte. Der Zauberkönig ist eine Neuköllner Institution, der in einem winzigen, vollgestopften Büdchen an der Herrmannstraße Scherzartikel und Zauberzubehör verkauft. Wer sich am Schaufenster des windschiefen Häuschens vor dem Jerusalemsfriedhof noch nie die Nase platt gedrückt hat, um Niespulvertüten, künstliche Augäpfel und Furzkissen zu bewundern, ist kein Neuköllner.
Die Tochter und ich wollten schon im Februar hin, aber da tauchte auf der Website eine Warnung auf, dass man wegen Karnevals und Kostümverleihs derzeit keine Zauberartikelberatung anbiete. Da wir auf eine seriöse Beratung beim Zauberartikelkauf großen Wert legen, warten wir, bis Karneval vorbei ist.
Ich stelle mich darauf ein, einige Stunden zu bleiben, denn die Vitrinen sind voll mit allerhand Merkwürdigem und Wunderbarem, das genau betrachtet sein will: Stinkbomben und Knoblauchbonbons, Juckpulver und „Aschenbecherschreck mit Sternregen“, Brillen, die Wasser verspritzen und Vogelpfeifen, Scherzzucker und gezinkte Karten, Pülverchen, mit denen man Wasser so anrühren kann, dass es wie Bier aussieht, und Knalleinlagen für Zigaretten. In der Ecke hängen tolle Masken.
Während wir diese inspizieren, gibt es an der Theke großes Hallo. Ein neu eingetretener Mann hat sich als italienischer Hersteller von einigen der Scherzartikel zu erkennen gegeben. Leider habe ich nicht verstanden, ob von ihm die Schrecktinte, das Zauberblut oder die Knallstreichhölzer stammen. Aber auch so nehmen wir nicht nur Pfefferbonbons und eine Maschine mit, die Papierstreifen in Geld verwandelt, sondern auch Einblicke ins Milieu der internationalen Scherzartikelproduzenten. Tilman Baumgärtel
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