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Stimmungsbild kommt einem Mosaik gleich

■ betr.: „Holocaust-Mahnmal unter Juden umstritten“, taz vom 2.10. 97

Davon, daß das seit nunmehr neun Jahren diskutierte „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ unter Berlins Juden umstritten sei oder gar auf breite Ablehnung stoße, kann keine Rede sein. Die Redaktion der Allgemeinen Jüdischen Wochenzeitung hat aus den zwanzig Stellungnahmen, die ich Mitte September in einer nicht repräsentativen Umfrage unter jü-

dischen Freunden und Bekannten eingeholt habe, eine zufällige Auswahl getroffen und einige wenige Passagen daraus in ihrer Neujahrsausgabe veröffentlicht – dieses Stimmungsbild kommt einem Mosaik gleich, in dem einige Steine fehlen, andere doppelt sind.

Daß die Antworten auf die Frage, was uns das geplante Mahnmal denn angehe, nicht unisono sind, versteht sich von selbst; daß dpa sich aufgrund der Vorbehalte einer einzelnen Schülerin gegenüber dem inzwischen überholten Entwurf von Christiane Jackob- Marks auf die Feststellung versteigt, auch junge Juden warnten vor „ungeheuren Ausmaßen“ eines Denk- oder Mahnmals, ist unredlich. Wenn hingegen nahezu alle Befragten feststellen, daß es sich beim Mahnmal nicht um eine jüdische Angelegenheit handelt, sondern dieses Mahnmal ganz im Sinne seiner Initiatoren Sache der Deutschen sei, so nimmt das nicht wunder; alle betonen indes, daß die deutsche Gesellschaft das Mahnmal und die Auseinandersetzung darum braucht, daß der Anstoß dazu um Jahrzehnte zu spät gekommen ist, und fast jeder zweifelt daran, daß es Senat und Bund ernst ist mit der Umsetzung dieses Projektes; allein dem privaten Förderkreis um Lea Rosh wird ernsthaftes Engagement zugestanden.

All das wird in der verallgemeinernden dpa-Meldung nicht deutlich. In der Allgemeinen Jüdischen Wochenzeitung finden sich sehr wohl Bemerkungen wie „Ich freue mich, daß deutsche Nichtjuden endlich das Bedürfnis verspüren, den ermordeten Juden Europas ein Denk- bzw. Mahnmal zu setzen“. Und andere wurden noch deutlicher: So sagte Hilde Eisler (86): „Ich bin selbstverständlich für das Denkmal und bedauere nur sehr, daß das in Deutschland noch immer nicht verwirklicht worden ist. Ich bin leider eine von diesen schrecklichen Sachen Betroffene. Ich bin also sehr dafür.“ Hartmut G. Bomhoff, freier

Mitarbeiter der „Allgemeinen

Jüdischen Wochenzeitung“

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