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Stille Post

■ Geflüstertes aus Kultur & Gesellschaft

Perlende Pianoklänge hallen durch den von Kerzen erleuchteten Saal. Ein paar Leute lauschen dem soignierten Pianisten. Andere stöbern in ausgemusterten französischen Büchern, schauen sich verblichene Singles angegrauter Chansonniers an. Im Kinosaal läuft eine Dokumentation über den letzten bal populaire in einem abgewickelten Tanzpalast. Nebenan warten Camembert, Salami, Baguette, selbstgemachter Kuchen auf Abnehmer. Weil in ganz Frankreich letzten Freitag die „Fête de la Musique“ stattgefunden hat, sollte das beschwingte Ereignis, wo sich MusikerInnen allerorten zu Sessions und Jams zusammenfinden, auch über die Landesgrenzen getragen werden. Und die Gäste, dankbar für die sanfte Salonmusik im sich auf den Garten öffnenden, halbrunden Raum, nahmen sie gerne an, diese gewisse gallische Unbekümmertheit im hohen Norden.

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So war das also mit der Genialität des enfant terrible Arthur Rimbaud, laut Agnieszka Hollands Film „Total Eclipse“: Mais-Pfeifchen ständig am Brennen halten, Rülpsen in guter Gesellschaft, Weinflasche als pittoresker Handschmeichler, Absinth. Dazwischen Zeit für Verse. Und für Paul Verlaine, den von Rilke verehrten bisexuellen Dichter, der dem 16jährigen Jungspund aus den Ardennen verfällt. Gemeinsam ziehen sie durch Europa; besser: Rimbaud geht voraus, Verlaine im Schlepptau (der dafür mit dicker Geldbörse, die für beide reicht). Leider macht aber Jungstar Leonardo DiCaprio aus Arthur Rimbaud, dem verqueren Idol Verlaines, einen sonny boy, den man sich gut in einer Hollywood-Adoleszenz-Komödie vorstellen kann. Natürlich gilt auch für die Produzenten von „Total Eclipse“: Immer an die Zuschauer denken. „Who the fuck are Rimbaud and Verlaine?“ unterstellt man denen zu denken. Und dafür lächelt DiCaprio doch so süß, und im Kino (Atlantis) dominierte denn auch altersmäßig ganz klar die DiCaprio-Fraktion. taz

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