■ Steuerreform: CDU/FDP wollen Mehrwertsteuer erhöhen: Die deutschen Reaganomics
Ronald Reagans Weltbild war einfach: Niedrigere Steuern führen zu höheren Investitionen, und die führen über kurz oder lang zu höheren Staatseinnahmen. Die Reaganomics bescherten den USA jedoch statt dessen das höchste Defizit aller Zeiten.
Anderthalb Dekaden später möchte die Koalition auch in Deutschland gerne Steuern senken. Die Reaganomen deutscher Provenienz haben aber immerhin gelernt, daß die Einnahmeausfälle irgendwie gedeckt werden müssen. Durch Haushaltseinsparungen (wo genau, weiß man in Bonn nicht) und den Abbau von Steuervergünstigungen (vom Subventionsabbau redet man in Bonn nicht mehr) sollen mindestens 60 Milliarden Mark reinkommen. Doch das reicht nicht. Nun wird offenbar, daß Kohls Versprechen („read my lips“), die Mehrwertsteuer nicht zu erhöhen, sich bestenfalls aufs kommende Haushaltsjahr beschränkt.
Die Ideologie der Regierung lautet schlicht und unverbrämt: Gebt den Reichen und nehmt von den Armen. Die Sparvorschläge tangieren regelmäßig die Grundfesten des Sozialstaats, während die Wohlhabenden en passant neun Milliarden Mark Vermögensteuer geschenkt bekommen. Wenn nun die Mehrwertsteuer erhöht wird, tragen wiederum die Geringverdiener, die den größten Teil ihres Geldes für Konsum ausgeben müssen, proportional zu ihrem Einkommen die größte Last.
Dabei haben die deutschen Reaganomen vergessen, daß die Wohlhabenden, selbst wenn sie weniger Steuern zahlen müssen, ihr Geld deswegen noch längst nicht produktiv investieren. Warum sollten sie, wenn es bei anhaltender Konjunkturkrise keine Gewinnaussichten gibt und die Lohnnebenkosten so hoch sind, daß die Schaffung von Arbeitsplätzen nicht lukrativ erscheint? Höhere Mehrwertsteuern vermindern die Nachfrage und damit die Gewinnchancen übrigens sogar noch weiter.
So steht die Regierung ordnungspolitisch konzeptionslos da. Die Idee von einer großen Steuerreform, die das System einfacher und gerechter machen sollte, wird pervertiert, bevor sie überhaupt in Gang kommt. Und an eine ökologische Steuerreform, die durch eine Senkung der Arbeitskosten zur Schaffung von Jobs beitragen könnte, wagt sich die Koalition erst recht nicht. Statt dessen setzt sie lieber da an, wo sie den geringsten Widerstand zu erwarten hat, und das ist nun mal bei Arbeitern und Angestellten, Arbeitslosen und Rentnern. Nicola Liebert
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