Sterling im Keller: Das Pfund für einen Euro
Die Krise der Finanzmärkte hat den Kurs des Pfund Sterling auf einen historischen Tiefstand gedrückt.
DUBLIN taz Zum ersten Mal seit seiner Einführung vor zehn Jahren hat der Euro mit dem Pfund Sterling gleichgezogen. Er ist in diesem Jahr um rund ein Drittel gegenüber der britischen Währung gestiegen - davon fast 20 Prozent alleine im Dezember. In den Wechselstuben bekam man nach Abzug der Kommission bereits vor einer Woche nur noch 96 Cent für das Pfund.
Der Grund für den freien Fall des Pfundes ist der marode Zustand der britischen Wirtschaft, wobei der Tiefpunkt längst noch nicht erreicht ist. Kein Land der westlichen Welt ist so hoch verschuldet, die Neuverschuldung wird im kommenden Jahr 118 Milliarden Pfund betragen. Zudem drohen den britischen Großbanken im neuen Jahr weitere milliardenschwere Verluste. Die Royal Bank of Scotland hat jetzt schon Verbindlichkeiten in Höhe von 125 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Die Regierung bekämpft die Rezession mit Zinssenkungen, was die Währung weiter in den Keller treibt. Lagen die Zinsen im Oktober noch bei 5 Prozent, so stehen sie jetzt bei 2 Prozent. Charles Bean, stellvertretender Gouverneur der Bank of England, prophezeite, dass sie demnächst "auf den Nullpunkt fallen" werden. Da die britische Regierung außerdem die Mehrwertsteuer auf 15 Prozent gesenkt hat, um die Konjunktur anzukurbeln, und die meisten Geschäfte ihre Preise drastisch reduziert haben, ist Großbritannien plötzlich zu einem Einkaufsparadies für Kunden mit Euros in der Tasche geworden. Von der Sterling-Krise profitieren natürlich die Exportunternehmen, aber auch Bauern und Landbesitzer, darunter die Queen, da sie sich ihre Zuschüsse von der Europäischen Union in Euro auszahlen lassen können.
"Die Parität zwischen Pfund und Euro ist ein wichtiger psychologischer Faktor", sagt der Wirtschaftsjournalist Will Hutton. "Zuerst bezweifelten die Briten, dass der Euro überhaupt eingeführt würde, dann bezweifelten sie, dass er überleben würde, und schließlich bezweifelten sie, dass er eine ernstzunehmende Währung würde. Nun ist er nach dem Dollar die wichtigste Währung der Welt. Die Frage ist nicht, ob wir dem Euro beitreten, sondern wann." In naher Zukunft sei nicht damit zu rechnen, hieß es jedoch aus dem Schatzkanzleramt. Der Fall des Pfundes hat Premierminister Gordon Browns Aufholjagd gebremst. 52 Prozent der Bevölkerung befürchten nun, dass Browns Wirtschaftsplan nicht aufgehen wird. Labour liegt nach neuesten Umfragen wieder 6 Prozent hinter den Tories.
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