Ich finde es richtig, dieses Thema zu diskutieren; an der Unterschiedlichkeit der Auffassungen kann man die Intensität sehen und es dürfte allemal jedem zu Bewusstsein gekommenen Menschen ein Unbehagen bereiten, wie verschmäht der Tod ist und auch eine gewisse Absurdität beim Thema "Recht zu sterben?" dürfte jeder gemerkt haben.
Sehr bedenklich finde ich hier aber (jeden) Anflug von pathologischen Bedenklichkeiten, denn das pathologisiert den Tod, macht ihn zu einer Krankheit; was gerade das Problem darstellt: ist der Tod oder sein Wunsch eine Krankheit?
Niemand, ich wiederhole: niemand ist in der Position, den Todeswunsch eines anderen Menschen zu beurteilen, geschweige denn zu verurteilen. Ob sich nun ein sogenannter Verwirrter oder Wahnsinniger oder einer, "der nicht ganz richtig im Kopf" wäre umbringen will, oder aber ein 75-jähriger Mann, ist dabei nicht von Belang; und niemand sollte sich rechtfertigen müssen, warum er sterben will; wir müssen uns alle ständig wegen allem rechtfertigen, dann bitte doch wenigstens nicht mehr beim Tod. Irgendwo muss das Recht, den anderen erkennen zu können, aufhören. Wir sind nur Menschen, keine Götter. Und wir sind alle Produkte unserer Gesellschaft. Wenn aufgrund der Erfahrungen mit dieser Gesellschaft, der man sich nicht entziehen kann, ein wie auch immer gearteter Mensch sich entschließt (selbst spontan) sterben zu wollen, haben die Menschen, soweit ich weiß, keine zweifelsfreie Instanz erfunden (bisher), die darüber richten könnte, wie wahr oder wie falsch so etwas wäre.
Im Leben nie wirkliche Autonomie zu haben, das kann man ertragen und das müssen wir alle. Aber im Tode diese Autonomie zu verbieten oder abzusprechen, kurz: den Tod eines Menschen bevormunden zu wollen und verbieten zu wollen ist dasselbe, wie die Todesstrafe für einen Menschen, der Leben will.
Weder Mediziner, noch Psychologen, noch sonstige Vermittler sollten jemals entscheiden (dürfen + müssen), ob der Wunsch nach Tod rational oder irrational ist. Wessen Zeit gekommen ist, der möge dahinfahren. Und niemand außer dem Wünschenden selbst ist in der Lage, das Kommen dieser Zeit zu messen. Und weil das nicht meßbar ist von außerhalb, kann niemand ein Urteil fällen außer dem, der sterben will, ob der Frage, ob nun wirklich die Zeit da sei oder nicht.
Auch ein "Darlegen der Berechtigtkeit" sterben zu wollen ist eine Farce, ein zynischer Wunsch von Verwaltern mit Angst vor dem Tod. Nun sollte aber niemals ein Mensch, der ohnehin den Tod fürchtet entscheiden dürfen, wie der Todeswunsch eines anderen geartet ist, denn er kann es nicht ohne ihn behindernde Affekte, namentlich vor allem Angst; und Angst ist der schlechteste Berater in den meisten Dingen.
Ein Mensch aber, der keine Angst (mehr) vor dem Tode hat, wird keinem Menschen verbieten sterben zu wollen, gleichwohl er ihn sicher nicht in den Tod stürtzen wird. Aber er wird es nicht verbieten, weil er das Ausmaß des Wunsches kennt. Zum Leben gezwungen zu werden kann so schlimm sein wie eine jahrelange würdelose Hinrichtung.
Ein Zwang zu Leben kann nicht zu rechtfertigen sein, mit welchen Argumenten auch immer. Und wenn man es streng nimmt, leben wir auch nicht in so einem phantastischen Paradies als das wir sagen könnten, der Tod sei a priori schlimmer als das Leben, deswegen sei das Leben dem Tode in allen Fällen vorzuziehen und also hätten wir das Recht Leben zu machen und Sterben zu lassen und also auch irgendwie die Fähigkeit der Beurteilung (vielleicht ließt man einmal wieder Kants "Kritik der Urteilskraft"?).
Wenn irgend jemand ein Vorrecht über seinen eigenen Tod hat, dann doch wohl zuallererst immer man selbst. Wer wollte einem auch die Entscheidung abnehmen?
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