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Stellungnahme Berliner FrauenärztInnen zur Abtreibungsdebatte

■ betr.: "Ärztekammer für Süssmuth-Vorstoß", taz vom 30.7.90

LESERiNNENBRIEFE

Betr.: „Ärztekammer für Süssmuth-Vorstoß“,

taz vom 30.7.90

Über 50 GynäkologInnen aus Ost- und West-Berlin, die sich im Arbeitskreis Gynäkologie und Geburtshilfe der Ärztekammer Berlin getroffen haben, geben zur aktuellen Diskussion über den Paragraphen 218 in der Bundesrepublik und der DDR folgende Erklärung ab. Der Vorstand der Ärztekammer Berlin teilt die in dieser Erklärung enthaltenen Standpunkte:

Wir begrüßen die Initiative der Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs im Vereinigungsprozeß. Wir teilen die Überzeugung, daß der Schwangerschaftsabbruch nicht weiterhin durch ein Strafgesetz geregelt sein sollte. Die Paragraphen 218 und 219 des Strafgesetzbuches müssen gestrichen werden. An deren Stelle empfehlen wir die Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs im Rahmen der ärztlichen Berufsordnung.

Die Beratungsverhältnisse nach der Abschaffung des Paragraphen 218 müssen sicherstellen, daß eine schwangere Frau eine für sie individuell bestmögliche Entscheidung treffen kann. Das bestehende Beratungsangebot sollte dazu im vollen Umfang erhalten bleiben und auf freiwilliger Basis, je nach Wunsch der betroffenen Frau bei der behandelnden Ärztin/dem behandelnden Arzt beziehungsweise bei sonstigen Beratungsstellen in Anspruch genommen werden. Das Vertrauensverhältnis zu BeraterInnen kann nur gewahrt bleiben, wenn von keiner Seite Zielvorgaben gemacht werden.

Im Interesse der Frau sollte der/die schwangerschaftsfeststellende und -beratende Arzt/Ärztin auch den Abbruch durchführen können. Dabei ist eine mindestens Drei-Tage-Frist zwischen Schwangerschaftsfeststellung und Abbruch sinnvoll. Der Eingriff sollte bis Ende der 14. Schwangerschaftswoche nach der letzten Regel (12. Schwangerschaftswoche nach Konzeption) durchgeführt sein.

Der Schwangerschaftsabbruch aus medizinischer und genetischer Notwendigkeit bleibt hiervon unberührt.

Die Frauen müssen beim Schwangerschaftsabbruch die nach dem Stand medizinischer Entwicklung bestmögliche Methode zur Verfügung gestellt bekommen. Schwangerschaftsabbrüche sollten daher in der Regel ambulant erfolgen. Entsprechende Angebote müssen bundesweit gleichermaßen bestehen.

Qualifikationsprogramme zur Schwangerschaftskonfliktberatung sind Aufgabe der zuständigen Landesärztekammer.

Die Vermeidung unerwünschter Schwangerschaft besitzt Priorität. Dies erfordert die Erweiterung des Angebots an sexualpädagogischer Aufklärung. In diesem Zusammenhang sollte die kostenlose Abgabe von Verhütungsmitteln ermöglicht werden.

Im übrigen ist eine kinderfreundlichere Gesellschaft der beste Schutz für das ungeborene Leben.

Dr. Ulrich Pape-Grupe, Beauftragter für Frauen heilkunde und Geburtshilfe in der Ärztekamme

Dr. Ellis Huber, Präsident de

Ärztekammer Berli

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