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Steigende LebensmittelpreiseSpekulanten droht eine Diät per Gesetz

Die Agrarmärkte sollen reguliert werden, damit die Preise nicht mehr künstlich in die Höhe getrieben werden. Auf dem Agrargipfel will Ministerin Aigner die Idee vorstellen.

An der Rohstoffbörse in Chicago werden die Nahrungsmittelpreise festgelegt. Bild: ap

BERLIN taz | Preise für Fleisch, Weizen, Mais und andere Nahrungsmittel steigen weltweit drastisch an. Beim Getreide waren es allein im vergangenen Monat 57 Prozent. CSU-Bundesagrarministerin Ilse Aigner will sich dafür einsetzen, dass diese Entwicklung nicht durch Spekulation noch weiter angeheizt wird: Auf dem internationalen Agrargipfel, zu dem heute 50 Agrarminister am Rande der Grünen Woche in Berlin zusammenkommen, will sie einen Vorstoß für eine Regulierung der Märkte machen.

In ihrer Rede zur Eröffnung der Grünen Woche warnte sie, dass es "durch übermäßige Spekulationen zu Exzessen auf den Märkten kommt". Selbst in einem reichen Land wie Deutschland sei dies zu spüren. Entwicklungsländer, die auf Lebensmittelimporte angewiesen seien, träfe es weitaus härter. In Tunesien und Algerien kam es bereits zu Protesten gegen die hohen Nahrungsmittelpreise.

Für Spekulanten sind das gute Bedingungen. Da die Nachfrage vor allem aus Schwellenländern zunimmt, setzen sie auf steigende Preise und tragen so selbst dazu bei. So liefen an der Chicagoer Rohstoffbörse zu Jahresbeginn 55.000 Terminkontrakte auf Weizen, jetzt sind es schon 80.000.

Terminkontrakte sind Wertpapiere, mit denen Bauern und Nahrungsmittelverarbeiter vorab den Preis vereinbaren, zu dem später geliefert wird. Solche Deals werden zunehmend von Hedgefonds oder Investmentbanken zu bloßen Spekulationszwecken abgeschlossen.

Die Entwicklungsorganisation Misereor und die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung fordern, die Teilnahme von Finanzmarktakteuren an Termingeschäften mit Agrarrohstoffen einzuschränken. Dazu brauche es Obergrenzen für Preise und Anzahl von Geschäften pro Investor. Auch Aigner spricht sich für solche Grenzen aus.

In den USA wurden mit der 2010 beschlossenen Finanzmarktreform bereits erste Schritte eingeleitet. Einzelnen Händlern soll künftig nur noch der Erwerb von Terminkontrakten bis zu einem bestimmten Limit erlaubt sein.

In Europa fehlen bislang die Voraussetzungen dafür: Der Handel mit solchen Wertpapieren wird nicht erfasst. Binnenmarktkommissar Michel Barnier hat daher erst einmal einen Vorschlag über eine Meldepflicht vorgelegt.

Dem Linken-Bundestagsabgeordneten Niema Movassat geht das alles nicht weit genug: "Mittelfristig müssen Erzeugung und Handel von Agrarrohstoffen vollständig von den Finanzmärkten entkoppelt werden."

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9 Kommentare

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  • P
    Pantau

    Kann mal jemand erklären, wie der Spekulant denn bitte den Preis künstlich in die Höhe treiben kann, OHNE sich selber dabei zu schaden?

     

    Ein Spekulant kauft, wenn der Preis niedrig ist und verkauft, wenn er hoch ist. Ohne dies dabei zu bezwecken glättet er dabei den Preis, die Schwankungen werden geringer. Wenn er mit seiner Einschätzung richtig liegt, mach er Gewinn und die Preisschwankung ist reduziert. Zum Nutzen gerade der amen Bevölkerung übrigens. Optionen hingegen haben gerade für die Armen Länder den Vorteil, sich in knappen Zeiten einen noch bezahlbaren Preis auf Lebensmittel sichern zu können, wobei der "böse" Spekulant das Risiko trägt.

     

    Aber bitte, schmeißt vor lauter Gutmenschentum jedes Bisschen gesunden Menschenverstand und die elementarsten volkswirtschaftlichen Grundlagen über Bord, reguliert den "bösen" Markt, macht den Handel mit Nahrungsmitteln unattraktiv und erhöht die Preisschwankungen, an statt die Märkte in der dritten Welt endlich zu ÖFFNEN. Der Weg zur Hölle ist wahrlich mit "guten Absichten" Gepflastert!

  • ....

    @Jan Reyberg: alles schön und gut,was sie da geschrieben haben, nur entspricht das einem ideal-bild, welches so überhaupt nicht existiert.

     

    generell sind die aussagen von frau aigner und co nicht mehr als purer zynismus oder dummheit.

    aber wer glaubt ernsthaft daran, dass sich diese regierung gegen solche konzerne wie nestlé, monsato etc durchsetzt - wobei ich auch nicht glaube, dass es bei einer anderen konstellation anders ausschaun würde.

     

    wieviel menschen verhungern jeden tag und wieviel nahrung steht zur verfügung?

    was ist mit dem "terminator-gen"?

    etc usw usf

    alles bullshit

  • KH
    Karin Haertel

    Wie dekadent und unmoralisch sind jene Menschen, die mit den Hungernden in der Welt Profit machen?

  • R
    Rotarmist

    Wunderbar - die CSU mit Frau Aigner nähert sich der planwirtschaftlichen Mangelverwaltung.

  • FB
    Franz Beer

    Liebe Frau Aigner.Also solange der Bauer irgendwas um die 20 cent für den Liter Milch bekommt(eigendlich sagt das alles über den Markt)und der Handel Aldi lidel edeka usw ordentlich kohle damit verdienen ,Was wollen Sie denn ändern?Staatlich festgesetzte Preise für Grundnahrungsmittel(hat es auch mal gegeben)einführen.Lächerlich.Und wenn Ich im Supermarkt im Januar Bio-Obst gemüse aus Südamerika ?seh.Dann muß sich der Dümmste an den Kopf fassen und festellen das da irgendwas nicht stimmt.In Deutschland werden 1/3 alles Lebensmittel aufn Müll geschmissen-Das ist der Markt .Naja und dann soll es Menschen geben die Hunger haben,und keine Kohle.Vieleicht sollten sie sich mal mit Frau von Leyen zusammensetzen,und dafür sorgen das alle was gesundes aufn Tisch haben,vom Regelsatz.Viel Glück. Mfg

  • H
    harry

    Das ist ja schön, das frau aigner mal wieder fordert und verlangt, das hat sie von frau merkel übernommen. macht sich immer gut. hat bloß keinen wirklichen effekt. als ministerin sollte sie nicht verlangen, sondern verfügen.

    jetzt ist nur die frage, was ihr fdp-kollege vom wirtschaftsressort dazu sagt. der ist doch so sehr für den freien markt.

    steigende lebensmittelpreise wären tragbar, wenn sie den erzeugern zugute kämen. aber so wirklich gar nicht!

  • J
    jrj

    Der Schritt, die Agrarmärkte zu regulieren, geht in die richtige Richtung. Der Satz "Mit dem Essen spielt man nicht" gilt auch in diesem Fall. Der heute bestehende Terminmarkt ist selbstverständlich ein Spielplatz für Spekulanten - aber unser täglich Brot hat auf diesem Spielplatz nichts zu suchen.

     

    Ich wünsche mir, dass die Akteure, die den Markt regulieren können, hier schnell genug handeln. Sonst verursachen unbezahlbare Lebensmittel in Schwellenländern noch mehr Revolten, Flüchtlinge oder kosten Menschenleben.

     

    Wäre das nicht eine noch bessere Lösung: Ein eigener, geschlossener Markt für Lebensmittel?

    Zu diesem Markt dürfen Spekulanten keine Zulassung bekommen, sondern nur reale Lieferanten und reale Abnehmer, die die gehandelte Ware auch in dem gehandelten Volumen physisch liefern können, beziehungsweise abnehmen können . Keine Bank könnte die 50000 Tonnen Weizen, mit denen sie spekuliert, in der Schalterhalle der Bank gebrauchen.

  • JR
    Jan Reyberg

    Je höher die Preise für Lebensmitel sind, desto eher lohnt sich ihre Herstellung. Können Lebensmittelpreise nicht über bestimmte Schwellen steigen, dann wird niemand produzieren, dessen Kosten nicht niedriger sind als dieser Preis. Folglich wird unter fixen Preisgrenzen möglicherweise WENIGER Nahrung produziert.

     

    Angesichts des in den letzten Wochen häufiger thematisierten Problems, dass Entwicklungsländer nicht wettbewerbsfähig mit EU-subventionierten Agrarprodukten sind ist klar, dass Preisobergrenzen die Produktion in Entwicklungsländern behindert.

     

    Hohe Lebensmittelpreise zeigen Knappheit an. Soziale Folgeprobleme sind Fragen von Entwicklungs- oder Sozialpolitik, nicht von Marktregulationen.

     

    Spekulanten können nur an hohen Lebensmittelpreisen verdienen, wenn sie jemanden finden, der Ihnen die Lebensmittel noch teurer wieder abkauft. Ungerechtfertigt hohe Preise können also nur für Beschränkte Zeit bestehen.

     

    Um irgendwelche kurzfristigen erratischen Herdenverhalten auf Märkten zu behindern wäre jedenfalls eine prozentualer Korridor um den gleitenden Preisdurchschnitt der vergangenen X Tage/Monate sinnvoller.

  • V
    vic

    Hier in der Region betrifft die Teuerung vor allem Brot, Milch, Gemüse und Obst. Eben alles wovon ich mich ernähre.

    Das Billigprodukt Fleisch hingegen kriegt man nach wie vor nachgeschmissen.

    Das muss das Wachstum sein, das bei allen angekommen ist.