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■ Steht der Rückzug der Blauhelme aus Bosnien- Herzegowina tatsächlich unmittelbar bevor?Gespensterdebatte

Die aufgeregte Diskussion um einen Einsatz der Bundeswehr in Ex-Jugoslawien im Rahmen der Nato ist nicht nur „hysterisch“ (Verheugen), sondern darüber hinaus auch noch gespenstisch. Notfallplanungen zum Abzug der Unprofor-Soldaten aus Bosnien existieren im New Yorker UNO-Hauptquartier seit der Stationierung der ersten Blauhelm-Soldaten im Herbst 1992. Planungen für Einsätze von Nato-Truppen zur Unterstützung und Sicherung eines Unprofor-Abzugs liegen spätestens seit Februar dieses Jahres in den Schubladen der Brüsseler Nato-Zentrale.

Daß diese Pläne jetzt mit großem Aufwand öffentlich diskutiert werden, soll vorrangig der Wiederherstellung der schwer angeschlagenen Glaubwürdigkeit der westlichen Militärallianz dienen. Tatsächlich stand und steht ein Abbruch der 24.000 Mann starken Unprofor-Operation in Bosnien nicht ernsthaft zur Debatte. Wenn zahlreiche Politiker und Medien in den letzten Wochen einen gegenteiligen Eindruck erwecken konnten, nur weil Frankreich und Großbritannien zeitweise öffentlich mit dem Gedanken an den Abzug ihrer 6.800 Soldaten aus Bosnien spielten, unterstreicht dies nur unser aller eurozentristische Arroganz. Über die Hälfte der Unprofor-Soldaten kommen aus Ländern des Südens, deren Regierungen, statt an einen Abzug zu denken, eine Verstärkung ihrer Truppenkontingente anbieten.

Das Kalkül hinter den öffentlichen Abzugsüberlegungen in Paris und London war, verstärkten Druck auf die bosnische Regierung auszuüben. Dies mit dem Ziel, Sarajevo zur Annahme des abermals zugunsten der Pale-Serben korrigierten Teilungsplans der Bosnien-Kontaktgruppe zu drängen. Mit diesem Manöver ist nicht nur die russische Regierung einverstanden, sondern insgeheim auch die deutsche und die amerikanische.

Clinton/Christopher und Kohl/Kinkel gerieren sich offiziell immer noch als die besten Verbündeten Bosniens im Westen. Beide Regierungen halten aber die öffentlichen Diskussionen über einen Nato-Einsatz zur Sicherung eines Unprofor-Abzugs und einer Beteiligung der Bundeswehr daran am Kochen. Damit tun sie genau das, was sie öffentlich bestreiten: Sie üben Druck auf Sarajevo aus. Andreas Zumach

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