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■ Steht Italien vor einer Mediendiktatur?Berlusconiland

Zehn gute Gründe gebe es, verhieß vorige Woche das italienische Wochenmagazin L'Espresso, „Berlusconi NICHT zu trauen“ – auch in englischer Sprache, als Message ans Ausland. Ein ziemlich einmaliger Fall von politischer Diffamierung des eben in die Politbütt gestiegenen Großunternehmers? Oder eher eine letzte Notbremse gegen einen Medienmogul, der das Land einer autoritären Wende zuführen will?

Auf den ersten, oberflächlichen Blick mag es scheinen, als sei hier wieder mal eine Runde im Kampf zweier Pressegruppen eingeläutet worden: L'Espresso gehört (ebenso wie die Tageszeitung La Repubblica) dem High-Tech-Giganten Olivetti und damit dessen Mehrheitseigner Carlo De Benedetti, der mit Berlusconi geschäftlich schon manch harten Strauß ausgefochten hat, auch auf medienpolitischem Gebiet. Berlusconi nennt seinerseits neben den drei landesweit ausstrahlenden Großprivatsendern Italia 1, Retequattro und Canale 5 ansehnliche Anteile an Tageszeitungen (Il Giornale), Regenbogen- und Programmzeitschriften sowie, über den Mondadori- Verlag, das andere große Politmagazin Panorama sein eigen. Seit Berlusconi höchstpersönlich in die Politik eingestiegen ist und sich schon mal gerne als künftiger Ministerpräsident präsentiert, hat sich die Polemik zwischen den beiden Konzernherren weiter verschärft, und selbst mancher Gegner des Medienzars vermutet, L'Espresso sei jede Schlagzeile recht, Berlusconi in ein schiefes Licht zu bringen.

Tatsache ist freilich: So, wie Berlusconi immer ungenierter seine wirtschaftliche Macht einsetzt, um Dumme zu fangen und Gegner zu attackieren, hat das vor ihm seit Einführung der Demokratie 1947 noch keiner versucht. Vielen Italienern, und selbst der Opposition, gehen nach Jahren des Wegschauens oder der Wurstigkeit medienpolitischer Entwicklung gegenüber erst heute so richtig die Augen auf, welch ungeheure Durchschlagskraft man mit einem Kommunikationsimperium anhäufen kann. Und wie wenig Mittel die Demokratie besitzt, dem zu steuern. Das Bild von der Notbremse hat, auch wenn man die Privatfehde De Benedetti – Berlusconi abzieht, schon etwas für sich.

Wer ist Berlusconi? Etwas salopp, aber durchaus nicht unzutreffend fomuliert: ein Dunkelmann und gewiefter Flunkerer, der quasi aus dem Nichts kam, häufig höchst undurchsichtige Leute zu seinen Gönnern zählte, mit intriganten und korrupten Politikern kungelte, dabei seine wirtschaftliche Unangreifbarkeit festigte und im Gegenzug massenweise Public Relations für diese Politiker zur Verfügung stellte. Und dem es nunmehr auch noch zu gelingen scheint, mit einer bis aufs I-Tüpfelchen ausgefeilten Wahlkampagne und einem ebenso bis ins letzte durchgezogenen Druck auf alle Berlusconi-Kritiker den Eindruck zu erwecken, als sei ausgerechnet er derjenige, der die erste Nachkriegsrepublik in eine zweite, angeblich liberalere, demokratischere Staatsform überführen wird.

Woher Berlusconi sein Geld für den Aufbau seines ursprünglichen Imperiums – im Bausektor – bekommen hat, ist bis heute unklar; er selbst schweigt sich bei konkreteren Nachfragen darüber aus. Daß er Mitglied der illegalen Geheimloge „Propaganda 2“ des rechtsputschistischen Großmeisters Licio Gelli war, ist bewiesen, und daß er trotz angeblich totaler Loslösung von der Loge noch heute ein Programm verkündet, das dem von Gelli formulierten „Plan zur demokratischen Erneuerung“ mit seinen autoritären „Lösungen der gesellschaftlichen Krisen“ täuschend ähnelt, belegt selbst schon ein flüchtiger Blick auf seine Zielformulierungen. Die Behauptung einiger seiner Biographen, sein Startkapital sei just von der „P 2“ gekommen, hat er niemals widerlegt.

Seine früh geschlossene Freundschaft mit dem mittlerweile in fast zwei Dutzend Ermittlungsverfahren verwickelten Sozialistenchef Bettino Craxi zahlte sich für beide aus: Berlusconi managte mit seinen seit Mitte der 70er aufgebauten Medienketten das Image Craxis, und der revanchierte sich spätestens seit seinem Aufstieg zum Ministerpräsidenten 1983, indem er Berlusconis widerrechtlichen Senderbetrieb durch Ad-hoc- Dekrete vor der Schließung bewahrte. Seit Craxis Sturz zuerst vom Sessel des Ministerpräsidenten (1987) und dann (1993) auch von dem des Sozialistenchefs steht Berlusconi ohne potenten Polit- Schutzengel da. Genau seit dieser Zeit mehren sich denn auch die Negativdaten in seiner Bilanz. Die Fininvest-Holding, die Berlusconis Imperium zusammenfaßt, ist aufs höchste verschuldet. Mehr als umgerechnet vier Milliarden Mark lasten auf der Gruppe, und Berlusconi kann die Lage derzeit denn auch nur mit einem furiosen Vernebelungswirbel kaschieren: „Die Schulden machen weniger als 40 Prozent des Wertes aus, den italienische und ausländische Banken der Fininvest zuschreiben“, tönt er – bloß, er schweigt sich beharrlich darüber aus, welche Bank denn seinem Imperium noch 10 Milliarden Mark Wert zumißt. Wie er sich auch beharrlich weigert, trotz seiner ständigen Betonung der „Notwendigkeit eines wirklich freien, konkurrenzorientierten Marktes“ sein Unternehmen an der Börse im freien Spiel von Angebot und Nachfrage bewerten zu lassen.

Geflunkert sind im übrigen auch weitere Angaben, die er so gerne streut. Etwa daß seine Fininvest die zweitgrößte Privatunternehmensgruppe Italiens darstelle (sie ist in Wirklichkeit nur die vierte) oder daß er 40.000 Menschen bei sich angestellt habe (es sind etwas über 27.000) oder daß er 7.000 neue Arbeitsplätze geschaffen habe (selbst eifrige Zähler kommen nur auf gerade mal tausend). Der Einstieg Berlusconis in die Politik erscheint denn auch vielen Kommentatoren – und keineswegs nur denen in De Benedettis Sold – als eine gigantische Kampagne zur Eigenrettung Berlusconis: Als Parlamentskandidat muß er laut Gesetz die Führung seines Unternehmens vorübergehend in andere Hände geben. Rutschen seine Firmen in der Wahlkampfzeit weiter ab, kann er den Statthaltern, ersatzweise auch bösen politischen Gegnern, die Schuld zuschieben; kommt er aber durch und erhält eine tragende Rolle in der kommenden Regierung, saniert er sich selbst, und alle Schulden werden schnell vergessen sein, zumnindest werden sich die Banken nicht mehr um ihre Kredite sorgen.

Daß Berlusconi trotz alledem nicht im Hohngelächter untergeht, wenn er sich den Wählern als „erfolgreicher Unternehmer“ darstellt, als Saubermann, als künftiger Sanierer der Staatsfinanzen und als Herold der freien Marktwirtschaft, grenzt für viele schon an ein Wunder. Tatsächlich aber ist es ein geradezu unüberbietbares Lehrstück von Mediendiktatur.

Getragen von nahezu täglichen Umfragen über die Hoffnungen, Erwartungen und Abneigungen der Italiener, sprang er auf alle möglichen Züge auf, präsentierte sich mal als Bannerträger nationaler Einheit, dann als Alliierter der separatistischen „Ligen“ in Oberitalien, stellte sich als Führer eines „moderaten Pools“ dar, um kurz danach mit den Rechtsextremen des Movimento Sociale Italiano (MSI) ein Wahlbündnis zu schließen.

Dazwischen läßt er über seine mit immensen Geldmitteln gegründeten „Forza-Italia“-Clubs jene beruhigen, die sich wegen der wachsenden strafrechtlichen Affären der Fininvest sorgen. Da ist allerhand zu tun: Soeben haben Staatsanwälte eine ganzes Netz schwarzer Kassen für „Sonderzahlungen“ (unter anderem für seine exzessiven Spielerkäufe zugunsten des AC Milan, Basis seiner norditalienischen Popularität) und Bestechungen von staatlichen Entscheidungsträgern durch Fininvest-Manager entdeckt. Der Bruder des Medienzaren, Paolo, wurde darob bereits verhaftet und ist geständig. – Damit der Schaden aus solchen Skandalen zumindest bis nach der Wahl begrenzt bleibt, läßt Berlusconi über seine Kanäle und die ihm verbliebenen Kumpel des alten Parlaments fast stündlich Breitseiten gegen Presseorgane und Fernsehanstalten schießen, die ihm nicht passen. Das ging hin bis zum Verlangen, satirische und sogar einige bloße Klamauksendungen des staatlichen Fernsehens RAI für die Zeit der Wahlkampagne auszuknipsen, nur weil von dort schon mal Respektloses über den Mann zu erwarten ist.

Zwar widerstand die Leitung der RAI diesem Ansinnen – doch Wirkung zeigte es immerhin. Wann immer ein Politiker oder auch nur ein parteinaher Journalist sich von der Mattscheibe her äußert, wird nun eine Berlusconi-Replik nachgeschaltet (was für andere Kandidaten nicht im entferntesten gilt) – ganz anders als in Berlusconis Kanälen, die tagtäglich rund um die Uhr Hofberichterstattung über die Kampagne des Mailänder Tycoons bringen, die anderen Parteien in mitunter fast unerträglicher Manier auch mit Falschmeldungen und Verunglimpfungen angreifen und gar nicht daran denken, gegenteilige Meinungen nachzuschieben. Abstruse Begründung: der staatliche Rundfunk sei zu Neutralität verpflichtet – der private aber nicht, weil er ja der Konkurrenz unterliege.

Das ist dann wohl die größte aller Lügen und der ausgeformteste Gipfel der Mediendiktatur – waren bisher die drei Kanäle des staatlichen Fernsehens immerhin noch nach Parteiproporz aufgeteilt und spiegelten so wenigstens rudimentär die im Parlament vertretenen, also die vom Volk bestimmten Strömungen wider, so ist das Privatfernsehen ein reiner Monopolbetrieb ohne auch nur die Andeutung von Konkurrenz oder Pluralismus – eine Veranstaltung des Parlamentskandidaten Silvio Berlusconi.

Werner Raith

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