Steffen Möller über Vertriebene: "Ganz simpel: hinfahren"
In Deutschland, sagt der Kabarettist und Schauspieler Steffen Möller, herrscht wegen des Vertriebenenzentrums die gleiche Hysterie wie in Polen. Dabei wäre die Annäherung so einfach.
taz: Herr Möller, Sie sagen, Sie sind in Polen von Beruf Deutscher und hier von Beruf Polenkenner. Ist das im Moment eine einfache Position?
Steffen Möller: Eigentlich ja. Es gibt zwei Millionen Polen, die in Deutschland leben. Die kommen zu meinen Auftritten, die kaufen mein Buch, und von denen bekomme ich viel Zuspruch. In Polen sowieso. In der jetzigen Diskussion, auch in den Talkshows zum Vertriebenenzentrum, werden eher künstliche Gräben aufgerissen.
Was würden Sie denn raten, damit aus den künstlichen keine echte Gräben werden?
Ganz simpel: hinfahren. Die Menschen sollen sich selber, unabhängig von den Medien, ein Urteil bilden, wie man das mit Italien und Frankreich auch seit 20 Jahren tut. Von Polen können einem immer noch irgendwelche Kenner etwas vormachen, von Störchen und lange Alleen und masurischen Sümpfen. Ich kann es nicht mehr hören.
Sie werben um Versöhnung und Verständnis. Was hindert uns daran?
Auch die Sprache. Dadurch wirkt uns Polen viel fremder als zum Beispiel Frankreich oder die Niederlande. Diese Fremdheit ist die größte Barriere.
Inwiefern?
Man kennt es einfach nicht. Ich wundere mich auch immer, dass die Medien in Deutschland nicht in der Lage sind, mal ein paar Polen zu finden, die den ganzen Streit auf eine nette Weise erklären. Sondern das wird immer in die Hände von Experten gegeben, die es sofort für parteipolitische Zwecke nutzen.
Sind Sie durch den Streit über das Vertriebenenzentrum politischer geworden?
Das muss man einfach. Übrigens auch in Polen. Dort werde ich ja umgekehrt befragt. Da muss ich die deutsche Position verteidigen und erklären, dass die Vertriebenen in Deutschland lange Jahre ignoriert wurden. Ich bemühe mich, irgendwie objektiv zu bleiben, aber das Thema ist emotional. Manchmal gehen die Emotionen mit einem durch. Dann steht man da, als der Polenschleimer und was ich sonst noch alles gehört habe.
Was könnte man gegen den Eindruck des Revanchismus tun?
Da kommen wir zu dem Fundament der ganzen Diskussion. Die Polen sind gegen das Vertriebenenzentrum, ganz einfach. Weil es heißt, wir haben auch drei Millionen Vertriebene, die sollten erst mal im Vordergrund stehen. Schließlich sind die deutschen Vertriebenen eine Folge des deutschen Angriffs. Außerdem haben die Polen den Eindruck, die deutsche Vergangenheitsbewältigung ist gar nicht so toll, wie immer von den Befürwortern des Zentrums behauptet wird.
Ist denn die polnische Vergangenheitsbewältigung toll?
Nein, das ist keine Frage, dass in Polen große Probleme beim Umgang mit den Vertriebenen bestehen. Mit den deutschen, aber auch mit den eigenen. Die durften ja im Kommunismus vierzig Jahre lang gar nicht bestehen, weil die Gebiete kommunistischen Bruderstaaten gehört haben. Und dazu kommt sicher auch, dass Erika Steinbach Projektionsfläche wird, für alle antideutschen Ängste. Das sind keine Ressentiments, das sind Ängste. Seit Willy Brandt hat sich ein Konsens über die Ostgebiete durchgesetzt: Wir wollen die nicht zurück. Trotzdem glauben viele Polen, dass dies nur eine kleine Gruppe von Meinungsführern sagt, und in Wirklichkeit kocht es unter dem Kessel.
Haben die polnischen Medien auch etwas versäumt?
Einige sind nicht objektiv und argumentieren populistisch. Aber die emotionale Grundfrage ist: Dürfen die Deutschen im Alleingang ein Vertriebenenmuseum bauen, ohne europäischen Gesamtrahmen? Das ist für die Polen, die größten EU-Enthusiasten, wirklich unverständlich. Für sie betreibt Erika Steinbach einen nationalen Alleingang, trotz gegenteiliger Lippenbekenntnisse. Ich sehe hier in Deutschland genau die gleiche Hysterie wie in Polen. Und das lässt mich wirklich manchmal verzweifeln.
Was wäre denn zu tun?
Wichtig sind die vielen kleinen Initiativen. Städtepartnerschaften beispielsweise. Das ist die Versöhnung. Und damit tun die Vertriebenen sich selbst und uns einen viel größeren Gefallen. Vielleicht ergibt sich dabei ja sogar die Chance, dass aus der alten auch eine neue Heimat wird. Man kann ja einen Sprachkurs machen und jederzeit hinfahren. Ich habe im Eurocity von Berlin nach Warschau schon so viele Vertriebene kennengelernt, denen es so gegangen ist.
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