■ Steffen Heitmann will nicht mehr Bundespräsident werden: Ein Schritt in die richtige Richtung
„Möge aus meinem Rücktritt Gutes für unser Vaterland wachsen.“ Mit dem letzten Satz seiner Erklärung zum Rücktritt von der Kandidatur zum Bundespräsidenten wird Steffen Heitmann wohl erstmals seit Beginn seines bundesweiten Wirkens auf breite Zustimmung stoßen. Und es spricht einiges dafür, daß sich dieser Wunsch erfüllt, wenn auch nicht unbedingt im Sinne des Ex-Kandidaten. Erstmals seit der anschwellenden Konjunktur rechter Themen stieß der „nationale Durchmarsch“ auf entschiedenen Widerstand, mußten die Verfechter einer national-konservativen Grundströmung einen Rückzieher machen.
Schon die Reaktionen auf die Erklärung Heitmanns zeigen klar, wer sich wo getroffen fühlt. Die größte Enttäuschung kommt aus der CSU. Bayerns Ministerpräsident Stoiber prangert die Diskussion um Heitmann als „schweren Schaden für unsere Demokratie“ an; der Bonner CSU-Landesgruppenchef Glos moniert die mangelnde Unterstützung eines Teils der Union für Heitmann, und der große Vorsitzende selbst beklagte noch einmal die „unerträgliche Kampagne, in der Heitmann persönlich angegriffen und diffamiert wurde“. Die CDU-Fraktion im Thüringer Landtag ließ gestern erklären: „der Mann wurde auf schlimme Art verheizt“, und kommt damit der Sache schon näher. Schon längst ging die Auseinandersetzung nicht mehr um die Person Steffen Heitmann, sondern um das Selbstverständnis der Republik, die der Bundespräsident repräsentiert.
Heitmann ist das Symbol für eine Republik nach den Devisen: Deutschland den Deutschen, Nation statt Europa und die Rückkehr zu einer Gesellschaft, die stolz ist auf die deutschen Sekundärtugenden und ein festes geschlechtsspezifisches Rollenverständnis hat. Tatsächlich hatte sich die Debatte längst von der Person Heitmann gelöst. Unabhängig davon, ob Heitmann mit dieser Zuschreibung persönlich richtig charakterisiert wird, steht er für diese Vorstellung eines „neuen Deutschlands“, und es wäre mit seiner Wahl ein entsprechender Paradigmenwechsel durchgesetzt worden. Deshalb ist die Verbitterung der CSU verständlich, und deshalb ist Heitmanns Rückzug ein Silberstreif am Horizont.
Dabei hat sich vor allem die veröffentlichte Meinung der Republik als Machtfaktor erwiesen, gegen den sich die nationalkonservative Rechte nicht beliebig durchsetzen kann. Auch wenn es innerhalb der publizistischen Lichterkette einige unfaire Ausfälle gegeben haben mag, ist Heitmann nicht daran gescheitert. Falls nicht sämtliche Meinungsumfragen danebenliegen, läßt sich aus der Ablehnung Heitmanns auch kein Ost-West-Konflikt konstruieren. Heitmann wurde auch im Osten nicht mehr unterstützt als im Westen, im Gegenteil: instrumentalisiert wurde er von Politikern aus dem Westen. Mit seinem Rücktritt versucht Heitmann nun zum ersten Mal für den Osten tatsächlich etwas herauszuholen. Politisch sehr geschickt, macht er sich für den SPD-Mann Richard Schröder als gemeinsamen Ost-Kandidaten stark. Um des Konsenses willen – den Heitmann erstmals bei seinem Rücktritt als wertvolles politisches Gut entdeckt – sollten sich doch auch die anderen Kandidaten zurückziehen.
Das ist ein geradezu antiker Abgang, der der SPD ein trojanisches Pferd zurückläßt. Sollten Kohl und Schäuble den Vorschlag ihres bisherigen Kandidaten tatsächlich unterstützen und der SPD ernsthaft die Wahl eines der ihren anbieten – nur eben nicht Rau –, wird sich doch wohl auch bei den Sozialdemokraten jemand finden, der den Spaltpilz in die eigenen Mauern schleppt. So könnte die Union aus einer strategischen Niederlage wenigstens noch einen taktischen Sieg machen. Bislang durfte es in der SPD niemand wagen, die Kandidatur von Johannes Rau in Frage zu stellen. Solange es um den parteilosen Jens Reich als Alternative zum eigenen Patriarchen ging, war es wohl auch noch recht einfach, den Deckel auf dem Topf zu halten. Ein Konsenskandidat Richard Schröder, dem allenthalben große integrative Fähigkeiten nachgesagt werden, kann da von Rau und seiner Truppe nur sehr viel schwieriger zum Tabu erklärt werden. Jürgen Gottschlich
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen