piwik no script img

Stefan Alberti mag trotz Widrigkeiten noch nicht mit dem Schwimmen im See aufhörenWegelagerei im Neoprenanzug

Knapp 14 bis 15 Grad Wassertemperatur noch, Tendenz fallend. So sieht’s gerade aus am Schlachtensee. Und das ist immer noch deutlich mehr, als oberhalb der Wasseroberfläche, frühmorgens jedenfalls. Was dazu führt, dass der See dann oft unter einer mystisch anmutenden Nebelschicht liegt.

So in etwa die Szenerie bei all den Unentwegten, die nach diesem langen Freiwasser-Sommer einfach nicht mit Schwimmen draußen aufhören mögen. Da braucht es dann entweder die auch nicht sonderlich erwärmende Grundhaltung „Nur die Harten komm’n in’n Garten“ – oder einen Neoprenanzug.

Mit dem lässt es sich auch als – früher, vor der Energiekrise natürlich nur – Warm­duscher durchaus noch ein paar Tage im See aushalten. Im Zweifelsfall gibt es für die fröstelnden Füße auch noch Neopren­socken und eine Haube für den Kopf. Die Sache ist bloß: Dieses ganze Zeug muss man ja erst mal an den Körper kriegen. Zu Hause anziehen ist da nicht so angesagt, schon um das Material zu schonen – also muss es am Seeufer gehen.

Doch der Neoprenanzug, kurz und liebevoll „Neo“ genannt, ist über einen Reißverschluss auf der Rückseite zuzuziehen. Das klappt normalerweise auch, weil am Reißverschluss ein längeres Band hängt. Dieser Verschluss hakt bloß immer genau dann, wenn gerade niemand da ist, der oder die helfen könnte. Wegen des Temperaturabfalls ist die Wahrscheinlichkeit aber deutlich gesunken, morgens noch andere Schwimmer am Ufer zu treffen.

Da hilft nur eins: warten und hoffen, dass da bald mal potenzielle Hilfe vorbeijoggt oder aus dem Wasser steigt. Das ist aber auch nicht ganz ohne: Wer so gegen halb sieben mit Musik auf den Ohren am See entlangschlurft, ist im seltensten Fall darauf eingestellt, urplötzlich von der Seite von einer schwarz gewandeteten Gestalt angesprochen zu werden, die entfernt an eine Kampfschwimmerfigur aus einem Abenteuerfilm erinnert.

Da ist also Achtsamkeit angesagt, damit das nicht wie Wegelagerei in Neopren wirkt. Was die Alternative „andere Schwimmer“ angeht: Das ist auch nicht ganz ohne, so allein am See jemanden mit einem „Könnten Sie vielleicht mal …“ anzusprechen, der oder die möglicherweise nackt aus dem Wasser steigt.

Gut möglich wiederum, dass der eine oder die andere das Ganze grundsätzlich als Weg der Kontaktanbahnung betrachten könnte und gar nicht wirklich schwimmen will. Es soll ja auch Leute geben, die mit ihrem Smoking nur zur Pause in die Oper gehen. Blöd ist bloß, wenn der oder die Helfende dann länger am Ufer stehen bleibt und beim Losschwimmen zugucken will. Dann hilft zur Ehrenrettung nur: Zähne zusammenbeißen und tatsächlich in den Nebelschleier eintauchen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen