Steckbrief gegen Patienten

■ Pflegedienstleiter ging mit selbstverfaßtem Steckbrief gegen Wohnheim–Bewohner vor / Der Betroffene hat Haftverschonung / Fahndungsfotos der Kripo / Im saarländischen Justizministerium ist man empört

Von Felix Kurz

Saarbrücken (taz) - Der Leitende Ministerialrat Lutz Greiner im saarländischen Justizministe rium wollte die Geschichte, die ihm da der 48jährige Klaus–Jürgen Haiasch am Donnerstag entsetzt erzählte, erst gar nicht glauben: In der städtischen Klinik Winter berg, zu der das Wohnheim gehört, in dem Klaus–Jürgen Haiasch untergebracht ist, kursiere ein Merkblatt im DIN–A4–Format mit drei Fotos von ihm, mit dem handschriftlichen Text versehen: „Sobald er auftaucht, Augen auf! Allen Stationen vorlegen“. Unterschrieben hatte den Steckbrief der Pflegedienstleiter der städtischen Kliniken Winterberg, Bernhard Rehlinger. Er fühle sich observiert und sein Zimmer sei durchsucht worden, berichtete Haiasch dem Leiter der Strafvollzugabteilung im Justizministerium. Klaus–Jürgen Haiasch wohnt seit dem 1.Dezember in einem Wohnheim der Winterbergkliniken in Saarbrücken. Gegen den Widerstand der Verwaltungschefin des Krankenhauses, Uta Schellhas(FDP), und von Rehlinger hatte die Dezernentin für Umwelt und Gesundheit der Stadt Saarbrücken, Christine Krajewski, verfügt, daß Klaus–Jürgen Haiasch dort untergebracht werden soll. Der Grund: Haiasch verbüßt zur Zeit zwar eine Freiheitsstrafe von acht Jahren wegen einer Serie von „schweren Diebstählen“, erhielt aber von der Staatsanwaltschaft erst einmal eine befristete Haftverschonung, weil er schwer erkrankt ist. Eine Darmkrebsoperation in der Winterbergklinik hat er inzwischen überstanden. Eine Lebermetastase wird derzeit mittels einer Chemotherapie behandelt. Dies ist im Knast nicht möglich. Weil der Freigänger auf Zeit keine Unterkunft fand, mußte sich die Stadt einschalten. Offenbar ließ den Pflegedienstleiter Rehlinger die Unterbringung des kranken Mannes nicht ruhen. Auf welche Weise allerdings die drei Fotos von Klaus– Jürgen Haiasch in seinen Besitz gekommen sind, konnte bisher noch nicht geklärt werden. Sie sollen von der Kriminalpolizei Saarbrücken bei der Erkennungsdienstlichen Behandlung am 6.1.83 angefertigt worden sein. Der Rehlinger–Steckbrief sei über den internen Postverteiler an alle Stationen gelangt, berichtete ein Krankenhaus–Pfleger. In manchen Stationen sei er dann auch ausgehängt worden. Rehlinger soll nun einen schriftlichen Bericht für den Saarbrücker Oberbürgermeister verfassen. Das Justizministerium wandte sich brieflich an die Stadt und schrieb, daß man „den in Rede stehenden Vorgang empörend finde“. Die Klaus–Jürgen Haiasch behandelnden Ärzte befürchten, daß sich durch die Affäre die Heilbehandlung ihres Patienten zumindest verzögern könne. Der taz sagte Klaus–Jürgen Haiasch, er habe, nachdem er von „diesen Aushängen“ gehört habe, „es kaum noch ausgehalten, nichts mehr gegessen und Leibschmerzen bekommen“. Der Grüne Stadtrat Kajo Breuer forderte den Oberbürgermeister der Stadt Saarbrücken inzwischen auf, Rehlinger bis zur Aufklärung des Skandals zu beurlauben.