Statt Ursachen werden Folgen bekämpft : KOMMENTAR VON MICHAEL BRAUN
Heute, am Tag des Flüchtlings, kann Europa sich eigentlich zufrieden zurücklehnen. Der Fernsehsessel ist der einzige Platz, von dem aus wir uns mit den Flüchtlingsdramen auf anderen Kontinenten befassen. Praktisch aber braucht es uns gar nicht weiter zu kümmern, wenn in Darfur, im Kongo oder in Afghanistan Millionen Menschen auf der Flucht vor Krieg sind.
Die sommerlichen Bilder von überfüllten Flüchtlingsbooten vor den Kanarischen Inseln oder Lampedusa mögen den Eindruck schaffen, Europa sei in gleicher Weise wie auch andere Weltgegenden ein Ziel der Fluchtbewegungen. Doch von den Kriegsflüchtlingen etwa erreicht bloß ein Bruchteil den Kontinent. Die wirklichen Probleme durch die Folgen von Bürgerkrieg und Vertreibung haben ganz andere. Der Tschad etwa hat hunderttausende Menschen aufgenommen, die dem Morden im sudanesischen Darfur zu entkommen suchten. Unbeteiligt, im Wortsinn, führen wir uns die Bilder aus den Elends-Camps in der Wüste zu Gemüte. Denn ganz selbstverständlich überlassen es die reichsten Staaten der Welt den ärmsten Ländern, Millionen Flüchtlingen Zuflucht zu geben. Und die nationalen Regierungen wie die EU insgesamt haben in den letzten Jahren viel dafür getan, dass das so bleibt.
Bei uns dürfen sich nämlich nur noch die blicken lassen, die nicht über einen „sicheren Drittstaat“ eingereist sind. Das ist eine fast unmöglich zu erfüllende Bedingung, nicht zuletzt auch deshalb, weil die Ansprüche an die „Sicherheit“ bei den anderen kräftig heruntergeschraubt worden sind. Ganz selbstverständlich schob zum Beispiel Italien mehrfach hunderte Flüchtlinge zurück nach Libyen ab. Ob unter den Abgewiesenen Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge aus Äthiopien oder Eritrea waren und ob die von Libyen dann ihren Regimes ausgeliefert wurden, hat keinen der Verantwortlichen weiter interessiert.
Interessiert waren sie hingegen an der europäischen Sicherheit – der Sicherheit, von Asylbedürftigen verschont zu bleiben. Und so erledigt Europa gleich auch ein zweites Problem: Wo keine Flüchtlinge an den Grenzen stehen, braucht die Europäische Gemeinschaft auch nicht dafür zu sorgen, den Grund für die Flucht zu beseitigen.