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Stasi-Leute aus der Volkskammer in den Bundestag?

■ Dankward Brinksmeier, abgesetzter Sonderausschuß-Vorsitzender, zur Überprüfung der Stasi-Vergangenheit der Volkskammer-Abgeordneten

INTERVIEW

taz: Wer kann garantieren, daß keiner der Volkskammer -Abgeordneten, die Geld von der Stasi erhalten haben, am 4. Oktober in den Bundestag einzieht?

Dankward Brinksmeier: Keiner.

Sie sollten als Vorsitzender des Sonderausschusses die Volkskammer-Abgeordneten durchleuchten. Jetzt sind Sie vom Volkskammer-Präsidium abberufen worden. Warum ist monatelang nichts passiert?

Der Ausschuß hat sich redlich bemüht. Es haben alle Kräfte, die blockieren konnten, blockiert.

Die SPD-Fraktion hat nicht gegen Ihre Absetzung protestiert...

Für mich sieht es aus wie ein Bauernopfer, eines ohne Solidarität von der SPD selbst. Nach dem Motto: Der stänkert zuviel rum...

Gegen 40 Abgeordnete soll der Verdacht vorliegen, daß sie gegen Geld Informationen an die Stasi geliefert haben...

Da wissen Sie mehr als man im Moment wissen kann. Ob sie es gegen Geld gemacht haben, kann man erst wissen, wenn man in die Akten hineingeguckt hat.

Und das hat noch niemand?

Nein.

Und wenn jetzt einzelne Abgeordnete nach Bonn geschickt werden - spielt der Stasi-Verdacht eine Rolle?

Die SPD-Fraktion hat beschlossen, daß die, bei denen es zutreffen könnte, nicht nach Bonn kommen.

Nach dem Gesetzentwurf der Volkskammer sollte der Bestand Normannenstraße doch im zentralen Zugriff bleiben und nicht in Länderverwaltung übergehen.

Die genaueren Akten liegen in den Ländern, in der Normannenstraße liegt nur der Gesamtüberblick. Das Volkskammergesetz hat das Verhältnis der Länder zur Zentralstelle nicht geregelt.

Sehen Sie eine Chance, daß Bonn den Forderungen der Besetzer zustimmt?

In der Absolutheit nicht. Die wollen zuviel. Die wollen, daß jeder seine Akte kriegt. Da wird Bonn nicht mitmachen, solange die nicht wissen, was drinsteht in den Akten. Auf der anderen Seite: Klarheit, welche Leute jetzt in den Bundestag kommen, wird man in Bonn auch haben wollen. Aber solange die die Archive nicht selbst gesichtet haben, werden sie keine Entscheidung treffen wollen. Verzögerungstaktik bis zum 3. 0ktober. Dann ist Diestel nichts mehr.

Was hat Diestel denn für ein Interesse daran, daß die Aufklärung verhindert wird?

Ich erlebe seine Politik so, daß er sich zum Werkzeug des alten Apparates gemacht hat. Wie weit er das selbst steuert, und wie weit der Apparat ihn steuert, kann ich nicht mehr unterscheiden.

Die eigenen Versuche, das Stasi-Problem in den Griff zu bekommen, waren bisher nicht erfolgreich.

Dazu muß ich selbstkritisch sagen, das haben wir falsch versucht. Nicht konsequent.

Was wäre konsequent gewesen?

Konsequent wäre gewesen, von Anfang an den Engelhard mit seiner Truppe rauszuschmeißen, den ehemaligen Bezirkschef der Stasi Frankfurt, der wurde der zentrale Auflöser der Stasi. Er war der einzige, der an alles rankam. Man hätte die Leute, die im Zentralarchiv arbeiten, rausschmeißen müssen.

Die Regierung de Maiziere hat die Politik der SED-PDS -Regierung Modrow fortgesetzt?

Nahtlos, und sogar noch demokratisch legitimiert. Sprich: Für die Stasi einfacher.

Interview: Klaus Wolschner

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