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■ Starkes Geschlecht IIDie Almosen der irischen Gatten

Iren denken immer nur an das eine: wo sie eine Ausrede und genügend Geld herbekommen, um am Abend in den Pub zu gehen. Das ist zwar ein Stereotyp, trifft aber leider noch immer auf allzu viele Männer von der Grünen Insel zu. Den Cartoon vom listigen Trinker, der seiner zeternden Ehefrau abends erklärt, er müsse noch mal mit dem Wellensittich Gassi gehen, finden freilich nur Männer komisch. Den Frauen bleibt es dagegen überlassen, für die Verpflegung und Kleidung der Familie zu sorgen – mit dem Geld, das ihnen die Männer zuteilen. In einem Land, dessen Wirtschaftsziel es laut Verfassung unter anderem ist, Frauen an Heim und Herd zu verbannen, ändern sich traditionelle Denkmuster nur langsam – besonders wenn ihre Beibehaltung im Interesse des star(r)k(öpfig)en Geschlechts liegt.

Vor allem in Arbeiterfamilien weiß die Frau meist gar nicht, wieviel ihr Ehemann verdient. Die von zahlreichen irischen Politikern erhobenen Forderung, die Höhe des Kindergeldes vom Verdienst abhängig zu machen, läßt außer acht, daß es in vielen Fällen das einzige feste Einkommen ist, über das Frauen verfügen. Selbst Männer in gutbezahlten Jobs verlangen häufig genaueste Rechenschaft über das Geld, das sie der Ehefrau überlassen. Anders als Sozialhilfe, Steuerrückzahlungen und ähnliches wird das Kindergeld bei Ehepaaren jedoch an die Frau ausgezahlt.

Es ist gar nicht so lange her, daß den Arbeitern die Lohntüten in der Kneipe übergeben wurden. Der Arbeitgeber erhielt dafür vom Wirt eine Kommission, während die Ehefrauen abends in den Pub kamen und versuchten, vom Geld zu retten, was noch übrig war. Die Gewerkschaften haben der Lohnauszahlung am Zapfhahn schließlich einen Riegel vorgeschoben. In der Realität hat das allerdings wenig geändert. Auch heute noch wandert ein Teil des Lohns am Zahltag umgehend in die Taschen des Wirts. Und donnerstags, wenn die Sozialhilfe ausgezahlt wird, sind die Pubs stets voll. In irischen Kneipen herrscht das Rundensystem, und es ist eine Frage der Ehre, kein Getränk schuldig zu bleiben.

Zu Hause nimmt mann es mit der Ehre dagegen nicht so genau. Vielen Frauen bleibt der Weg zum Kredithai nicht erspart, wenn Weihnachtsgeschenke für die Kinder oder neue Kleidungsstücke für die Erstkommunion fällig sind. Solange irische Hausfrauen keinen gesetzlichen Anspruch auf Bezahlung ihrer Arbeit haben, sondern auf die Almosen ihrer Gatten angewiesen sind, wird sich an dieser Situation auch nichts ändern. Sarah Caherty

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