■ Standbild: Schade eigentlich
„Der große Reibach“, Mo., Di., Mi., Do., um Mitternacht und Mitternacht herum, ZDF
Die schönste Serie des Jahres wird mitternächtlich ins Nichts versendet. Das ist toll. So braucht man sich keine Gedanken darüber zu machen, daß den Leuten durch den Qualitätskontrast auffallen könnte, wie stumpf und langweilig das 19.25-Uhr-ZDF-Einheitsprogramm ist, bei dem man schon im Vorspann erkennt, wer der Mörder ist.
Jene 2,5 Millionen Zuschauer, die in der ersten Staffel „Der große Reibach“ vergnügt zur Kenntnis nahmen, wie Christoph Walz alias Dr. Dorfmann der Schreckliche im Auftrag der UNICEF Nietzsche in Zaire bekanntmachte, werden aufgrund des nachtschlafenden Sendeplatzes nicht mitbekommen haben, wie der tollpatschige Pfeifenraucher nun im fiktiven Balkanland Slaka ein Wirtschaftswunder vollbringen muß.
Selbstverständlich ist Dorfmann wieder die ahnungslose Marionette in den Händen des nunmehr zum Vizepräsidenten der EG hochgegaunerten Villeneuve. Und Mr. Spearpoint, sein Widersacher, pointiert einmal mehr in englischer Kürze das Wirrwarr der europäischen Einigung.
Klar, daß es unmöglich ist, anhand dieser Szenenbeschreibungen zu erfassen, um was es geht. Aber das ist nicht meine Schuld, sondern die des ZDF. Hätten die „Der große Reibach“ früher gezeigt, hätten mehr Leute begeistert mitbekommen, wie Malcolm Bradbury (Buch) die gesamte Eurokratie in hellsichtigen Wortspielen auflöst: „In einer Zeit moderner Bedeutungen können Bedeutungen sehr vieldeutig sein.“ Wie Bradbury den Helmut-Kohl-Duktus englisch reflektiert, ist ebenso unnachahmlich, wie der Plot, der eine Melange aus deutscher Wiedervereinigung, Balkankrise und britischem Empire-Geist darstellt. Es ist gleichgültig, welche Sequenz des Vierteilers man herausgreift, um den erfrischend sprühenden Witz zu dokumentieren.
Je mehr man sich die Exzeptionalität dieser bis ins Detail liebevoll gestalteten Produktion vergegenwärtigt, desto mehr packt einen die Wut: Als Zuschauer kann man nur zu dem Schluß kommen, daß der Sendeplatz die Qualität dieses Fernsehspiels mit Füßen tritt. Bis das ZDF erkannt hat, daß es den großen Reibach mit „Der große Reibach“ machen kann, ist es zu spät. Manfred Riepe
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