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■ StandbildBißchen viel

„Tatort“, Sonntag, 20.15 Uhr, ARD

Von einem „seltsamen Zufall“ hatte die Ansagerin gesprochen. Gerade habe die britische Königin ihren Staatsbesuch in deutschen Landen beendet, da müsse sich das Team von „Tatort“-Kommissar Flemming mit einem Attentatsversuch auf Ihre Durchlaucht befassen. Schöner Zufall.

Schließlich war die Visite von Hütchen-Schühchen-Täschchen-passend-Lizzy doch bereits vor mehr als zwei Jahren ausbaldowert worden. Also, das roch doch eher nach einem bravourös vorgetragenen Geniestreich öffentlich-rechtlicher Programmstrategen. (Sie mahlen halt langsam, aber exakt. Fragt sich nur, was sie am Sonntag ausgestrahlt hätten, wenn letzte Woche wirklich wer versucht hätte, Frau Monarchin in die Luft zu jagen?)

Sei's drum. Es ging ja auch gar nicht um Her Royal Highness. Gegen das, was das Drehbuch Flemming & Co diesmal an Hausaufgaben ausgepackt hatte, nahm sich jeder weltumspannende James-Bond-Konflikt wie eine Provinzposse aus: BKA, IRA, MfS, RAF in einem TV-Krimi unterzubringen – mein lieber Schwan! Nordirland, Stasi, Untertauchen von RAF-Mitgliedern in der DDR, die mögliche Verwicklung des BKA; die Konkurrenz zwischen Bundes- und Landesfahndern; die zunehmende Gewaltbereitschaft unter Fußballfans, die desolate Lage in den Neuen Ländern, der Neo-Nazismus in Ost und West... Was wunder, daß es Jung-Fahnder Ballauf irgendwann schwante: „Ist die Nummer nicht langsam zu dick für uns?“

War sie, war sie. Zumal diese Hitparade der aktuellen Konfliktherde mehr holperig denn fesselnd daherkam, bis ein rührender Showdown dem Ganzen ein Ende bereitete.

Bei allem Respekt vor Kostendämpfung durch Verwendung von betagten Gebrauchtwagen und Pyrotechnik im Tischfeuerwerksformat; aber dann sollte man auf so etwas wie Verfolgungsjagden mit abschließender Explosion doch lieber ganz verzichten.

Wenn einen hier über 90 Minuten etwas bei der Stange halten konnte, war es allein das sympathische Fahnder-Trio. Auch wenn Flemming beim Warten auf die Tiefkühlpizza schwer kritisch über der Deutschen „unterschwellige Sehnsucht nach einem Führer“ räsonnieren mußte, die WDR- Ordnungshüter sind im Prinzip okay. Bleibt ihnen nur zu wünschen, daß sie sich demnächst mal wieder mit einem schlichten „Mord im Schrebergarten“ oder ähnlichem befassen dürfen. Reinhard Lüke

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