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StandbildBiedere Fakten

■ "Der Krieg der Zigaretten"

„Der Krieg der Zigaretten“, West3, Sonntag, 21.45 Uhr

Die halbe Welt schien sich an diesem Wochenende gegen die Raucher verschworen zu haben. In Frankreich wurde ein Gesetz erlassen, das das Rauchen an den meisten öffentlichen Plätzen verbietet, ein Bekannter wies mich nach einem Saunabesuch fast wütend zurecht, als ich mir voller Freude eine Zigarette ansteckte, und das Fernsehen bemühte sich, mich in einem engagierten Feature über die „Verkaufsstrategien der US-Tabakkonzerne“ als nützlichen Idioten selbiger zu denunzieren.

Raucher sind bemitleidenswerte Loser, wie der Marlboro- Mann, der am 24. Juli diesen Jahres an Lungenkrebs starb; der nie geraucht hätte, hätte er um die Gefährlichkeit des Rauchens gewußt, sich für seine Zigarettenwerbung schämte und (ordentlich resozialisiert) darauf hoffte, daß seine Statements irgend jemanden vom Rauchen abhalten könnten. Auch die Frau, die so hübsch in den sechziger Jahren für Lucky Strike warb und mittlerweile an Kehlkopfkrebs erkrankte, wurde in dem Feature eher als einfältige Verliererin präsentiert. Während der Dreharbeiten für den Werbespot sei sie zum Rauchen gekommen, berichtete sie und schimpfte auf die Werbestrategien der Konzerne. Denn die richteten sich an die schwächsten Glieder der Gesellschaft: Kinder, Frauen, die Ärmsten der Armen. „Die versuchen aus Kindern Raucher zu machen“, empörte sich das Ex-Model. Interessanter als die PR-Aktivitäten von Philip Morris und Co. in der gebeutelten ersten Welt ist der Kampf um den Markt der Entwicklungsländer. Denn während „in den aufgeklärten Industrienationen“, wie der Filmemacher die sogenannte erste Welt umschrieb, immer weniger geraucht wird, steigt der Konsum im mithin unaufgeklärten Rest der Welt. Die Verluste, die sie in ihren Heimatländern erleiden, machen die US-Zigarettenkonzerne in den Entwicklungsländern mehr als wett. Zwischen 1980 und 1990 konnte der Philip-Morris-Konzern seine Produktion verdoppeln. Die staatlicherseits unterstützten Marketingmethoden entsprechen dabei den üblichen Gepflogenheiten des Handels zwischen erster und dritter Welt. Mit der Androhung von Wirtschaftssanktionen erreichte man in Taiwan, daß das Land auf sein Tabakmonopol verzichtete. Ein Gesetz, das Zigarettenwerbung untersagte, scheiterte am Einspruch der US-Amerikaner. In Malaysia ging man ähnlich vor.

Der Film präsentierte bieder die Fakten; die Zahl von zehn Millionen Zigarettentoten im Jahr vermochte zu imponieren. Der Satz allerdings, Rauchen sei neben Aids das weltweit größte „vermeidbare“ Gesundheitsrisiko, muß – schon wegen der sechs Zigaretten, die der Autor beim Schreiben dieser Zeilen verbrauchte – angezweifelt werden. Detlef Kuhlbrodt

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