■ Standbild: Nur ein Schemen
„Mielke“, Montag, 21.00 Uhr, Nord3
So mußte es enden! Der einer veränderten Wirklichkeit entfremdete, kindlich-senil wirkende Armeegeneral Erich Mielke vor einer feixenden Volkskammer. Ein unwürdiger Greis, eine Witzfigur wohl gar, die sich mit den hilflosen Worten „Ich liebe doch alle“ dafür entschuldigt, sein Publikum wie gewohnt mit „Liebe Genossen“ angesprochen zu haben. Bekannte Bilder, die den Schlußpunkt setzten am Ende eines Dokumentarfilms über diesen Emporkömmling, der seine heißgeliebten Genossen umfassend bespitzeln ließ, seine Opfer drangsalierte, gar Unschuldige zu Opfern machte, wenn es im Dienste der Parteiräson opportun erschien.
Den Weg bis zu jenem lächerlichen Auftritt verfolgten Jochen von Lang und Bernd Liebner weniger spektakulär als angekündigt, mit Hilfe von Aussagen überlebender Zeitzeugen, Archivmaterialien, Presseausschnitten. Einige seiner Opfer kehrten zurück an die Stätten ihrer Leiden und berichteten vor der Kamera über ihre Erlebnisse– Geschichten, die erzählt werden müssen, aber über die Titelfigur dieses Films nichts aussagen. Die Autoren und ihre Gesprächspartner kreisten um Erich Mielke, ohne ihm jemals nahe zu kommen. Sein Umfeld wurde sondiert, sein Auftreten rekapituliert, aber die Hauptperson blieb ein Schemen.
Woher kam er, was wollte er, was trieb diesen kleinen, korpulenten Mann, der so freundlich und leutselig sein konnte, diesen vollendeten Spießer, der in jedem Agententhriller aus der Zeit des Kalten Krieges einen prächtigen bolschewistischen Folterknecht abgegeben hätte? Die Antwort darauf blieb der Film schuldig. Er wäre besser „Mielkes Opfer“ betitelt worden. Herr Dittmeyer
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