piwik no script img

StandbildAlles wird gut!

■ "Nach Langer Zeit" 3. Teil

„Nach langer Zeit“ (3. Teil), Mi., 20.15 Uhr, ARD

Gewiß, die dramatischen Konfliktsituationen dieser franko-kanadischen Seifenoper sind grob gestrickt. Abgebrannte Häuser. Ein Großvater-Enkel-Drama. Eine verleugnete Mutter, die im Irrenhaus vor sich hinsiecht. Liebe, Raub, Hochmut und Schulden. Es gibt ein paar Handlungsfäden, die sich verzweigen, fallengelassen werden, um (un-)erwartet wieder aufgenommen zu werden. Zwischen allen Fronten der Dramatis personae wirkt die ewig selig lächelnde Nonne Maria Schell wie ein transzendentaler Alleskleber. Und wir fühlen im Innersten unseres Herzens: Alles wird gut!

Zudem ist da dieses wunderschöne Kanada, das der Regisseur für die Dimensionen eines Fernsehfilms beachtlich in Szene setzt. Sofern man sich als Zuschauer nicht involvieren läßt in dieses seichte Konfliktgebilde, ist „Nach langer Zeit“ ein visueller Ferientrip. Überlegt man sich jedoch, daß dieser Joel sich gefälligst das Sägewerk seines Großvaters unter den Nagel reißen und dieses moralische Gehabe sein lassen möge, ist es zu spät. Der Virus der Trivialität hat den Zuschauer ergriffen. Von emotionalen Fieberwellen geschüttelt, bibbert er darum, daß der böse Großvater das Geld für den hochverschuldeten Landsitz Eau Vives lockermachen möge. Und das angesichts der von Anfang an feststehenden Tatsache: Alles wird gut!

Tja, da bleibt nicht allzuviel Raum für Phantasie. Es sei denn, man nimmt eine unbezahlte Nebenbeschäftigung an, indem man beispielsweise imaginiert, daß Leclercs kanadisches Anwesen unweit des Holzfällerstädtchens „Twin Peaks“ liegt. Agent Cooper kommt vorbei. Er hat seinen Beruf gewechselt und ist jetzt Wanderprediger. Da, wie jeder weiß, der böse Geist Bob in ihm sitzt, hat Cooper den fernöstlichen Heilslehren abgeschworen und verbreitet nun de Sades „Philosophie im Boudoire“.

Ich erwache mit einem stechenden Schmerz am Schädel und gewahre, daß ich wohl vor dem Fernseher eingenickt, mit dem Kopf zur Seite gekippt und auf die Hartholzlehne meines Sofas aufgeschlagen bin. Das Ende von „Nach langer Zeit“ habe ich aber wieder mitbekommen. Joel kehrt nach Frankreich zurück und wird sofort verhaftet, weil Gabriels Witwe intrigiert hat. Es sieht sehr übel aus für Joel. Aber zum Glück weiß ich: Alles wird gut! Es kommt sogar noch besser. Gotthilf Fischer singt uns ein Lied. Morgen in diesem Theater. Manfred Riepe

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen