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StandbildFrauen am Pranger

■ Explosiv, RTL, 26.2. und 1.3, jeweils 19.15 Uhr

Explosiv, RTL, 26.2. und 1.3., jeweils 19.15 Uhr

Ein dicklicher Schmarrnfresser säuselt in die RTL-Kamera. Wir erfahren: Dieser Österreicher sollte dem schleichenden Gifttod anheimfallen. „Der feige Giftmischer“ ist typischerweise seine Frau. Sie beköchelte ihren feisten Gatten sorgsam und mischte hier und da diverse Gifte in sein Leibgericht. Ahnungslos löffelte er alles in sich hinein. Fotos der Köchin werden eingeblendet – auch sie fett und unattraktiv (wie alle Hexen – da „hammers“ wieder). Doch in RTL-Zeiten gehen die Märchen gut aus: Seit die Mama im Knast ist, sind alle wieder glücklich.

Natürlich möchte „Explosiv“ dem Publikum erklären, warum es zu dieser Familientragödie kam. Geschickt werden die lieben Kleinen befragt, die wie die „Schmuddelkinder“ vor einer fahlen Tapete sitzen. Sie geben mit kindlicher Ehrlichkeit Aufschluß: Die Mama hatte einen Freund. Aha! Der Interviewer will es genau wissen: „Woher kommt denn der Freund von der Mama?“ Wie einstudiert kommt die Antwort: „Aus Ägypten.“ Die Kinder werden so lange traktiert, bis alles (?) ans Licht gezerrt ist: Der „Ägypter“ hat mit „weißen Pulvern“ gehandelt, die Mama mit hineingezogen und mit ihr den teuflischen Plan ausgeheckt. Was aber hat der brave Deutsche vor seiner Glotze gelernt? Nix! Denn das, was er da aufgetischt bekam, wußte er schon lange: Hinter jeder Tat der Frau steckt ein Kerl – das scheint Naturgesetz. Auch daß „Ausländer“ ihm die Frauen wegnehmen und mit Drogen handeln, ist ihm nicht neu. Auch die nächste „Explosiv“-Story an diesem Abend zeigt, wie Frauen wirklich sind: Geschildert wird die selbstlose, keusche Liebe einer Frau zu einem im Knast sitzenden Gewalttäter. Sie hatte sich in ihn verliebt, als sie als Schöffin über ihn zu Gericht saß.

In der Montagsausgabe des plakativ-emotionalen Magazins gibt es weitere Sensationen aus dem Alltag. Beliebt sind vor allem belästigte und vergewaltigte Frauen – als Opferlämmer für dumm verkauft. Da ist die bemitleidenswerte Blondine, die – vom Stiefvater jahrelang sexuell mißbraucht – aus der bayerischen Heimat vertrieben wird. Gott sei Dank hat sie einen (Ehe-)Mann an ihrer Seite, der ihr das Vergessen möglich macht. Oder die von einem Triebtäter gemordete Ostdeutsche. Deren einsam sächselnder Freund verpackt nun den gemeinsamen Hausrat in Kisten und sinnt auf Rache.

Dumpf-deutsche Wohnzimmergerechtigkeit kommt auf, wenn „Explosiv“ zum Schauplatz von Spießerpossen wird. Das betont progressive Image ist geradezu absurd, denn da, wo's interessant sein könnte, fragt „Explosiv“ eben nicht nach. Hochsensible Themen wie „offener Strafvollzug“ oder „Vergewaltigung in der Familie“ werden sensationslüstern angerissen. Der Mangel an fundierten Informationen schafft das unerträglich reaktionäre Klima, das für die Sendung typisch ist. „Explosiv“ ist der Hexenhammer der Massenmedien. Hau weg den Scheiß! Kerstin Achenbach

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